Darf Kunst alles?

Schön, ästethisch, ansprechend – und auf der anderen Seite brutal, provokant oder anstößig; die Kunst hat heute viele Gesichter. Doch gibt es innerhalb des Begriffes ‚Kunst‘ Grenzen? Sollte es welche geben? Wo hört Kunst auf und wo beginnt das Extreme?

Dass die Kunst in den letzten Jahrzehnten immer mehr dazu diente, gesellschaftliche Tabus zu brechen, ist an mehreren Beispielen ersichtlich. Einige Künstlerinnen der Moderne etwa brachten in den 1960er Jahren ihre Meinungen, Ansichten und auch Frustation gegenüber den Themen Geschlechteridentität und Sexualität zum Ausdruck: Die US-amerikanische Künstlerin Carolee Schneemann konstruierte ein Filmtagebuch mit dem Titel „Fuses“, in dem sie sich mit ihrem Partner bei intimen sexuellen Aktionen filmt. Eine andere Performancekünstlerin, Valerie Export, lief durch die Sitzreihen eines Pornokinos, mit einer im Schritt geöffneten Hose bekleidet und einem Maschinengewehr in der Hand, und forderte die Leute auf, sie anzufassen. Diese Art von Aktionen lenkten womöglich die gewünschte Aufmerksamkeit auf die Themen, doch erweckten sie beim Publikum und bei Kritikern eher Unverständnis und Abscheu.

Auch Themen wie Tod und Gewalt wurden in vielerlei Hinsicht von Künstlern verarbeitet. Hermann Nietsch, ein Mitglied der „Wiener Aktionisten“, mauerte sich einige Tage lang mit anderen Künstlern in einem Keller ein um zusammen an einer Installation zu arbeiten. Hierbei verwendeten sie uner anderem einen Lammkadaver, den sie häuteten und in einer gekreuzigt-anmutenden Position kopfüber aufhängten. Im Anschluss wurde die „Lammzerreissung“ der Öffentlichkeit als Kunstwerk präsentiert, bis die Polizei die Aktion auflöste und die Künstler in Arrest nahmt.

Sind diese Künstler zu weit gegangen?

Meiner Meinung nach wurde der Kunstbegriff in manchen Fällen, wie zum Beispiel in diesem, missbraucht. Tierkadaver haben für mich nichts mit Kunst zu tun. Allerdings finde ich trotzdem, dass man der Kunst keine Grenzen setzten sollte, weil sie ein wichtiges Ausdrucksmittel für Emotionen, Kritik, und vieles mehr ist. Man solltedie Möglichkeit haben, sich in irgendeiner Form frei ausdrücken zu können. Einige Menschen wollen durch ihre Kunst auch Probleme in der Gesellschaft aufzeigen, wie etwa die Künstlerinnen der Moderne. Und auch wenn das Publikum sehr wahrscheinlich nicht bereit dafür war: Meiner Meinung nach ist es sehr wichtig, dass diese Möglichkeit trotzdem gegeben war/ist.

Was denkt ihr – sollte man Kunst einschränken?

Quellen:

http://www.caroleeschneemann.com/works.html

http://dreher.netzliteratur.net/2_Performance_Aktionismus.html

6 Kommentare

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Ich finde deinen Beitrag ganz gut. Du hast uns zuerst Informationen gegeben und dann deine Meinung geäußert 🙂
Im Allgemeinen denke ich nicht, dass es in der Kunst Grenzen gibt. Dazu, ob es welche geben sollte ist meine Meinung zweigeteilt:
Einerseits denke ich, dass es einen groben Rahmen geben sollte, der die Kunst ein wenig einschränkt aber nicht ganz, sondern die Kunst nur in eine gewisse Richtung leitet. Denn beispielsweise sehe ich die Handlung von Valerie Export nicht mehr als Kunst sondern als Belästigung, da sie die Leute noch auffordert, sie an zufassen.
Auf der anderen Seite bin ich der meiner Meinung, dass man der Kunst keine Grenzen setzten sollte. Zum einen, wie du schon gesagt hast, weil jeder die Möglichkeit haben sollte, sich frei ausdrücken zu können. Zum anderen denke ich auch, dass ein „Grenzensetzten“ eine Art von Gedankeneinsperren ist und so etwas kann man gar nicht tun, da man Gedanken nicht verbieten kann. Somit kann man die Kunst als ein kreatives Bild der Gedanken sehen und deshalb auch nicht eingrenzen.
Außerdem denke ich, dass sich jeder Künstler selbst in eine gewisse Art Grenzen setzt. Denn ist es nicht so, dass der eine sagt, dass er keine Landschaften malt und der andere wieder sagt, er zeichnet keine Gesichter von Menschen? Andere wiederum zeichnen nur schwarz und weiß und wieder andere benutzten immer nur die selben Farben?
Ich finde, dass jeder die Möglichkeit haben soll, sich frei entfalten zu können, möglicherweise Dinge zu verarbeiten, seine Gedanken „aufs Blatt zu bringen“ oder einfach mal seiner Fantasie freien Lauf zu lassen in einer Art von Kunst.
Abschließen kann man sagen, dass Kunst auch immer im Auge des Betrachters liegt, in seinem Geschmack und in seiner Fantasie.

Für mich persönlich steht fest, dass man der Kunst auf jedenfall keine Grenzen setzen darf. Denn fast nirgendwo anders als in der Kunst genießt man eine sehr hohe gestalterische Freiheit. Genau dieser Aspekt macht die Kunst so interessant. Dadurch sind Künstler in der Lage freie Wege zu gehen und sich in dem Geist der Zeit zu entfalten. Durch die Kunst kann man sich ausdrücken und Dinge die einen bewegen/ interessieren verarbeiten. Viele Künstler verarbeiten auch ihre Kindheit mit der Kunst. Ein Beispiel dafür ist Louise Bourgeois. Sie verarbeitete in ihren Kunstwerken unteranderem das Verhältnis zu ihren Eltern. Dabei stellte sie ihre Mutter oftmals als Spinne dar – als Zeichen für Schutz und Geborgenheit. Wobei das Verhältnis zu ihrem Vater als schlechter zu bezeichnen war. Besonders prägend für Louise war seine Beziehungen mit Mätressen und sein unliebevoller Umgang mit ihr. Die Kunst hat Louise die Möglichkeit eröffnet zumindest ein Teil ihrer Vergangenheit abzuschließen, sie zu verarbeiten. Möglicherweise auch einen „Neustart“ zu starten. Oftmals haben Louise Bourgeois‘ Werke eine eindeutige Bildsprache, so zum Beispiel das Werk „Janus Fleuri“. Jedoch muss ich bei der Frage ob die Kunst alles dürfe eine kleine Einschränkung machen: Kunst sollte unter keinen Umständen diskriminierend sein.

Der Link vom Kunstwerk ‚Janus Fleuri‘ von Louise Bourgeois.
„http://www.flickr.com/photos/centralasian/8120309771/“

Spannende Diskussion!
Möchte nur einen weiteren Anstoß hinzugeben: Bitte wie – mein Vorredner schon erwähnt hat – nicht den historisch-biographischen Hintergrund der besprochenen Künstler außer Acht lassen!
Schneemann war eine der ersten radikalen feministischen Künstlerinnen, viele ihrer Aktionen zeigen die tiefe Frustration und Enttäuschung über die Behandlung ihres Geschlechts in der amerikanischen Gesellschaft.
Export arbeitete in den 60er jahren in Österreich, einem zutiefst konservativen Land, das seine Rolle im Weltkrieg verdrängte und für Export DAS Symbol für Doppelmoral war („gute“ Bürger die traditionelle Familienwerte hochhalten schleichen sich ins Pornokino).
Nietsch ist schwieriger zu verstehen. Seine Orgien-Mysterien-Spektakel sind auf den ersten (ok, auch den zweiten und dritten) Blick äußerst abstoßend. Aber auch er bezieht sich auf gesellschaftskritische Grundlagen. Er wiederbelebt nämlich alte griechisch-römische Blutopferkulte. Warum? Wir bewundern die Größen der antiken Philosophie, ignorieren aber, dass zu deren Lebenswelt nicht nur der scharfe, apollonische Verstand gehörte, sondern auch das dionysisch-sinnliche Element dieser Fruchtbarkeitskulte.

Aber wie gesagt, das ist kein Werturteil, wollte nur Zusatzinfos ins Spiel bringen.
Gruß, Ill

Meiner Meinung nach darf Kunst nicht alles. Aber dazu muss ich erst erklären, was ich unter Kunst verstehe.
Kunst leitet sich für mich von Können ab. Kunst ist für mich, wenn jemand ein Handwerk perfekt beherrscht, und in seinem Werk etwas ausdrücken kann: z.B. seine eigene Einstellung, eine bestimmte Stimmung, wenn er Gedanken vermittelt oder beim Betrachter/Hörer gewollte Reaktionen auslöst.
Das heißt nicht, dass ich etwa die durch das zufällige „Malen“ eines Delfins entstehenden Bilder nicht auch toll oder unterstützenswert finden kann, aber ich zähle solche Dinge nicht zur Kunst.
Nun wieder zur Leitfrage: Ich denke, dass Kunst nicht alles darf. Warum sollten Künstler mehr Rechte bekommen als „normale“ Menschen? Woraus leitet sich dieser Anspruch ab? Ist er gerechtfertigt? Jeder Bürger muss sich an die herrschenden Gesetze halten, und ich finde, dass das auch auf Künstler zutreffen sollte. Das bedeutet, dass sie ihre Meinung frei äußern dürfen, aber auch, dass sie wie alle Bürger bestraft werden sollten, wenn sie andere verleumden, oder wenn sie andere zu etwas zwingen, so wie Valerie Export.
Künstler dürfen keine „Extra-Rechte“ bekommen und nicht mehr Freiheit haben als andere auch. Alles andere wäre meiner Meinung nach ungerecht. Wenn Künstler alles dürften, dann würde ich sofort Künstler werden – denn dann kann mich ja niemand bestrafen, ich könnte alles Mögliche als Kunst bezeichnen und wäre damit freigesprochen, ich müsste mich keinen Normen oder Gesetzen unterwerfen.
Dann wären Künstler privilegierter als alle anderen Menschen, und das halte ich nicht für gerechtfertigt. Alle Menschen sollten gleichberechtigt sein!

Nur um sachlich nicht zu verfälschen: Export hat Menschen nie dazu *gezwungen*, sie zu berühren. Sie hat lediglich dazu aufgefordert und ihren Körper dazu zur Verfügung gestellt (um auf die Reduzierung eines weiblichen Körpers auf ein Objekt aufmerksam zu machen). Allerdings übt das natürlich gewaltigen psychologischen Druck auf die Umgebung aus und bricht mit sämtlichen Normen unserer Kultur – was zweifelsohne zwischenmenschliches Konfliktpotential entfacht. Frage ist, in wie weit dies „erlaubt sein darf“ im Sinne eines „höheren Zwecks“ –> Und wo würdet ihr diesen missbraucht sehen?.

Kannst du ausführen, was du mit „Extra-Rechten“ meinst?
Künstler sind juristisch eigentlich nicht priviligierter als Normalmensch. Sowohl Export als auch Nietsch wurden mehrfach verurteilt wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses. Von Letzterem habe ich selbst sogar einmal eine Anzeige im Museum gesehen. Es war das Formblatt eines Richterspruchs mit saftigem Bußgeld für „das Schleifen eines blutigen Ziegenkadavers durch ein Wohngebiet“.
Umgekehrt gibt es Künstler, deren Gesetzesbruch ihnen fast Robin-Hood-Charakter verleiht – was ist mit Street Art Künstlern wie Banksy – sind Sprayer „besser“ gesellschaftskritisch als Aktionskünstler wie Export?

Meinst du mit dem Einhalten von Gesetzen eher soziale Normen als juristische Paragraphen?

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