Bald ist es wieder einmal so weit. Die Sommerferien beginnen. Für viele von uns heißt das wahrscheinlich auch: ab in den Urlaub. Aber woran entscheiden wir eigentlich, wohin wir reisen?
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es meistens zuerst einmal darum geht, wo es denn schön ist. Orte, die man in den sozialen Medien oder in der Werbung sieht oder die einem Freunde weiterempfehlen. Und dann geht es natürlich darum, wie viel der Urlaub denn kostet. Man sucht also ein schönes Reiseziel mit gutem Wetter und günstigen Preisen.
Aber womit die meisten bei der Wahl des Urlaubslandes sich wohl nicht beschäftigen, ist die politische Situation dort. In einem Urlaub hat man eben meistens nicht so viele Berührungspunkte mit der Politik und den Rechten der Menschen in einem Land. Aber ist es ethisch vertretbar, in ein Land zu reisen, in dem Menschenrechte verletzt werden, auch wenn man als Tourist in erster Linie nicht selbst davon betroffen ist?
Man könnte sich nun die Frage stellen: Muss ich mich mit der Politik in einem Land auseinandersetzen, wenn ich dort nur Gast bin und keinen direkten Einfluss darauf habe? Zwar kann man als Tourist meistens direkt nichts an der politischen Situation und den Ansichten in einem Land ändern und sollte diese respektieren, jedoch ist der Tourismus in vielen solcher Länder ein wichtiger Faktor für die Wirtschaft und man unterstützt somit als Tourist auch indirekt die Politik. Der bewusste Verzicht auf das Reisen in ein Land, in dem Menschenrechte verletzt werden ist vermutlich das stärkste Zeichen, das man als Einzelperson einem Land setzen kann, in dem man nicht wahlberechtigt ist.
Man merkt deutlich, dass Touristen bei der Wahl ihres Urlaubslandes bestimmte Kriterien haben und dass die Verletzung der Menschenrechte leider eher weiter unten auf deren Prioritätenliste steht. Daraus folgt auch, dass man sich vor der Reise auch nur über diese ausgewählten Kriterien informiert.
In den meisten Fällen bekommt man als Tourist nicht wirklich mit, dass man sich in einem Land befindet, in dem Menschen nicht gerecht behandelt werden. Menschen machen meistens einen Unterschied zwischen ihrer eigenen Sicherheit und der der Bevölkerung des Urlaubslandes. Besteht ein Risiko, das Opfer eines Terroranschlags zu werden reist man eher nicht in ein Land. Wenn sich aber zum Beispiel die Minderheit der Uiguren in China unterdrückt sieht, dann sehe man als Tourist deshalb nicht vom Reisen ab.
Zum Beispiel in der Türkei gab es wegen der Regierung von Präsident Erdogan 2016 und 2017 viel weniger Touristen als noch 2015. In den folgenden Jahren sank jedoch der Wert der Währung und somit auch die Preise, weshalb sich der Tourismus sehr schnell erholte. Scheinbar spielt also auch das Preis-Leistungs-Verhältnis eine größere Rolle bei der Wahl des Reiseziels als Menschenrechtsverletzungen.
Aber würde es denn überhaupt etwas bringen, ein Land zu meiden? Antje Monshausen, Leiterin der Arbeitsstelle Tourism Watch und Referentin für Tourismus und Entwicklung sagt: „Es hängt vor allem davon ab, ob sich daraus eine große Bewegung ergibt und viele auf Reisen verzichten oder zum Beispiel Reiseveranstalter ein Land aus dem Programm nehmen.“ Es müssten also sehr viele Menschen auf das Reisen in ein bestimmtes Land verzichten, um etwas zu erreichen.
„Wenn es in einem Land möglich ist, mit der Bevölkerung ins Gespräch zu kommen, sich frei zu bewegen und sich selbst eine Meinung zu bilden, kann eine Reise zu Verständnis und internationalem Austausch beitragen.“, sagt Antje Monshausen. Das ist nur leider nicht in jedem Land möglich. Bei Urlauben in Ressorthotels kommen die wirtschaftlichen Impulse nicht wirklich bei der Bevölkerung an und ein Dialog ist kaum möglich. Man sollte also bewusst Reiseentscheidungen treffen und eher darauf achten, wie man reist, anstatt wohin. Man kann zum Beispiel gezielt Reiseanbieter wählen, die aktiv dazu beitragen, dass die Rechte der Einheimischen gewahrt werden.
Der ethische Konflikt, ob man in ein Land reisen sollte, in dem Menschenrechte verletzt werden, lässt sich auf das Prinzip des Utilitarismus beziehen. Nach dem Utilitarismus ist eine Handlung dann moralisch richtig, wenn sie den größtmöglichen Nutzen für die größtmögliche Anzahl von Menschen hat. Das Reisen in ein Land, in dem Menschenrechte verletzt werden wäre also dann moralisch vertretbar, wenn der Nutzen für die Menschen im Land größer wäre, als der Schaden, den die Reise verursacht. Wenn also die Reise zum Beispiel zum kulturellen Austausch beiträgt oder der Bevölkerung direkt zugute kommt, nutzt das der Bevölkerung. Wenn aber mit der Reise die Regierung unterstützt wird, wird der Bevölkerung geschadet.
Nach Immanuel Kants kategorischem Imperativ, der besagt, dass man nur nach derjenigen Maxime handeln soll, durch die man zugleich wollen kann, dass sie ein allgemeines Gesetz werde müsste man also abwägen was die Konsequenzen einer Reise wären. Wenn durch eine Reise in ein Land, das Menschenrechte verletzt Unrecht unterstützt wird muss man sich fragen: „Kann ich wollen, dass alle Menschen so handeln?“. Die Handlungsmaxime lautet also: „Ich darf in ein Land reisen, in dem Menschenrechte verletzt werden, auch wenn ich damit indirekt Unrecht unterstütze.“ Wenn man die Handlungsmaxime verallgemeinert lautet das allgemeine Handlungsgesetz: „Jeder darf in ein Land reisen, in dem Menschenrechte verletzt werden, auch wenn er damit indirekt Unrecht unterstützt.“ Man kann die Verallgemeinerung nicht widerspruchsfrei denken und wollen, weil das Reisen indirekt gegen die Pflicht verstößt, die Menschenrechte zu achten. Die Handlung ist also unethisch.
Als ich anfing, mich mit dem Thema zu beschäftigen, hätte ich nicht gedacht, dass es so umfangreich und kompliziert ist. Viele Länder, in denen Menschenrechte verletzt werden, wollen vermeiden, dass Touristen darauf aufmerksam werden und zum Beispiel in Nordkorea ist alles, was man dort als Tourist zu sehen bekommt, arrangiert. Außerdem gibt es beinahe endlos viele verschiedene Fälle von Menschenrechtsverletzungen, von der Einschränkung der Meinungsfreiheit über Diskriminierung bis hin zu Ermordungen unschuldiger Menschen.
Ich habe mich in der Vergangenheit vor einem Urlaub nie ausführlich darüber informiert, ob in dem Land die Menschenrechte verletzt werden und was meine Reise dorthin für Auswirkungen hat. Jetzt, wo ich mich mit dem Thema beschäftige merke ich jedoch, dass es wirklich sehr wichtig ist, genau das zu tun. Sich bewusst zu machen, was das eigene Handeln für Auswirkungen hat und das nicht nur bei dem Thema dieses Blogposts, sondern bei allen Entscheidungen, die man trifft.
Abschließend würde ich sagen, dass ich mich in der Zukunft auf jeden Fall vor einer Reise über das Land und die dort geltenden Gesetze und Rechte informieren und versuchen werde, Wege zu finden, die Menschen dort zu unterstützen, wenn ich mich für ein Reiseziel entscheide.
Ich finde es schwierig, eine eindeutige Antwort auf die Frage, ob eine Reise in ein Land, das die Menschenrechte verletzt ethisch vertretbar ist, denn es gibt verschiedene Kriterien, nach denen man entscheiden sollte und schlussendlich ist der entscheidende Faktor immer, ob man durch eine Reise dazu beiträgt, dass Unrecht geschieht. Manchmal kann es etwas bewirken, mit den Menschen vor Ort zu sprechen und zu versuchen ihnen zu helfen und in anderen Situationen kann es wiederum hilfreich sein, das Reisen in ein Land zu meiden um die Politik dort nicht zu unterstützen. Vielleicht können wir uns aber alle vornehmen, uns ab jetzt vor einer Reise über das Land zu informieren und die Reihenfolge der Kriterien, nach denen wir unser Reiseziel wählen vielleicht etwas zu ändern.
Ich fände es wirklich interessant zu erfahren, ob ihr euch schon einmal zu diesem Thema Gedanken gemacht habt und was ihr darüber denkt. Schreibt doch gerne einen Kommentar in dem ihr mir euren Standpunkt zum Thema erklärt.
Quellen: https://www.rnd.de/reise/tourismusboykott-koennen-reisen-ein-politisches-zeichen-setzen-V4HKXQXXAJCZXO3CK74FCRF4YU.html 11.06.2025
https://de.wikipedia.org/wiki/Utilitarismus 13.07.2025
https://studyflix.de/allgemeinwissen/kategorischer-imperativ-kant-4464 13.07.2025
Neueste Kommentare