Brauchen wir immer mal wieder einen Neuanfang? Wozu?
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Brauchen wir immer mal wieder einen Neuanfang? Wozu?
4 Kommentare
Kommentieren →Bei der Frage dachte ich spontan an ein Wollknäuel: Wenn man strickt und man entdeckt einen dicken Knoten, den man einfach nicht lösen kann, dann muss man den Faden an der Stelle abschneiden und sozusagen einen „Neuanfang“ machen.
Aber ist das im Leben auch so? Kann man den Knoten der Probleme, Sorgen, Konflikte einfach „abschneiden“ und neu starten? Ich glaube nicht! Auch wenn jetzt ein neues Jahr begonnen hat, ist das alte dennoch nicht einfach „abgeschnitten“, wir haben keine „Stunde Null“ vor uns, die Fakten, die im vergangenen Jahr geschaffen wurden, sind nach wie vor präsent.
Und doch brauchen wir immer wieder Neuanfänge, wenn alles verworren und verknotet ist, um im Bild zu bleiben. Sonst verheddern wir uns und können nicht mehr weitergehen. Die Altlasten erschweren jeden weiteren Schritt, die Vergangenheit holt einen ein. Konflikte schwelen vor sich hin, man hat ein schlechtes Gewissen, man wird sich der Fehler bewusst, die man gemacht hat, die Luft wird immer dünner, man seht sich nach Freiheit und einem Neubeginn. So kann und will man nicht weiterleben.
Dieser Neubeginn muss nicht an Silvester geschehen, das kann auch mitten im Jahr sein. Mit dem Jahreswechsel hat das nicht unbedingt etwas zu tun.
Neuanfang geschieht aber nicht durch Abschneiden, er gelingt nicht durch Verdrängung, sondern durch Bearbeitung der Probleme: Eingestehen der Fehler, Versöhnung mit Gott und den Menschen, Klärung der Verhältnisse, Aufarbeiten von Konflikten. Manchmal muss man vielleicht drastische Konsequenzen ziehen, indem man z.B. umzieht und sein soziales Umfeld wechselt.
Wenn man in dieser Form neu begonnen hat, kann man wieder aufatmen und frischen Mutes neue Herausforderungen angehen: Das stickige Zimmer der Seele wurde gelüftet, der Knoten wurde gelöst, man kann „weiterstricken“.
Ich habe mich als erstes gefragt, was mit Neuanfang denn in diesem Falle gemeint ist. Klar das Jahr ging zuende, die Monate und Tage wieder zurück auf 1 gesetzt – also alles wieder von vorn. Ein Neuanfang. Allerdings sind das in meinen Augen nur Zahlen, die sich verändern, der Rest bleibt. Wenn ich zum Beispiel mit einer Person schon seit vielen Monaten sehr zerstritten bin, dann ändert der Jahreswechsel auch nichts daran und wir sind am 1.1. genauso zerstritten, wie am 31.12. Dennoch kann der Jahreswechsel ja dazu anregen, sich doch zu vertragen.
Aber einen Neuanfang kann ja auch etwas sein, das nur für einen selber ist, unabhängig von irgendwelchen Daten. Wenn ein Raucher zum Beispiel beschließt mit dem Rauchen aufzuhören, so schafft er für sich einen rauchfreien Neuanfang.
Meiner Meinung nach steckt unser Alltag voller kleiner Neustarts. Wann auch immer wir beschließen etwas zu tun, oder nicht mehr zu tun schaffen wir Neuanfänge.
Brauchen wir diese Neuanfänge? Ich denke auf manche könnte man gut verzichten, aber andere wiederum sind für uns extrem wichtig. Ob wir nun den 1.1.13 haben, oder irgendein anderes Datum ist mir schlichtweg egal. Mein Leben würde mit einem anderen Datum nicht anders verlaufen, ich brauche diesen Neuanfang nicht, an dem sich alle für das kommende Jahr etwas vornehmen, das sie sowieso nicht einhalten. Aber Neuanfänge der Art, dass ich mich mit einer verstrittenen Person wieder vertrage und somit einen Neuanfang schaffe sind in meinen Augen extrem wichtig. Könnten wir ohne Neuanfänge überhaupt verzeihen? Nein ich denke nicht.
Daher: Ja wir brauchen unbedingt Neuanfänge!
Ergänzend zu den bereits gelieferten Kommentaren würde ich sagen, dass ein Neuanfang auch neue Wege öffnet. Er bietet Zeit zum Nachdenken, sowie für die Umstrukturierung des eigenen Lebens. Im Prinzip kann ich aus mir einen guten Menschen machen, wenn ich zuvor ein schlechter war. Allerdings lohnt sich das ja nur, wenn andere mir verzeihen.
Zum anderen könnte ich mich, wie oben erwähnt, Konflikten entziehen, die eigentlich gelöst werden MÜSSEN. Das Lösen könnte mir wesentlich bei der Entwicklung meines Charakters helfen.
Folglich ist ein Neuanfang eine Hilfe, kann aber auch zu einer Blockade werden.
„oben erwähnt, Konflikten entziehen, die eigentlich gelöst werden MÜSSEN“
Wenn wir uns diesen Konflikten wirklich entziehen und uns vorgaukeln, dass sie durch einen Neuanfang nicht gelöst werden müssen, ist es dann ein richtiger Neuanfang? Ich meine, wie lange kann so ein Gebilde dann halten, wenn es von Anfang an nur auf Lügen oder falschen Tatsachen basiert, indem sich derjenige, der meint einen Neuanfang zu haben ohne jedoch seine Probleme vorher zu lösen selber belügt. Ist es dann nicht nur eine Frage der zeit, bis diese Altlasten wieder relevant werden, in den sog Neuanfang der Person eindringen und sie dann wieder da steht, wo sie vor ihrem Neuanfang auch war?
Ich denke also, dass es nicht möglich ist einen Neuanfang zu schaffen, ohne vorher seine Probleme zu lösen.