Als ich mich fragte, ob wir denn immer wieder mal einen Neuanfang brauchen, fiel mir sofort ein sehr passender Spruch dazu ein:
Aus dem Buch Deines Lebens kannst du keine Seiten heraustrennen, aber immer wieder ein neues Kapitel beginnen. (unbekannt)
Meiner Meinung nach, benötigt jeder Mensch mehrere Neuanfänge, um sein Leben nach einer Neugliederung und Neuordnung, einer Veränderung wieder genießen zu können. Aber womit beginnt dieser Neuanfang, bzw. das neue Kapitel im Lebensbuch? Ich denke, dass ein neues Kapitel erst mit dem Ändern seines eigenen Verhaltens oder seiner eigenen Denkweise geschrieben werden kann. Denn man kann nur sich selbst, aber nicht die anderen ändern! Wichtig finde ich auch, dass man lernt, seine Vergangenheit abzuschließen, da man an ihr nichts mehr ändern kann.
Dazu ein (sehr hartes) Beispiel: Ein zwölfjähriges Mädchen wird von ihrem alten Nachbarn sexuell belästigt. Mehrere Jahre war der Nachbar immer nett gewesen und es hatte Vertrauen zu ihm. Dann, an einem Tag, wird das Mädchen von dem Nachbarn befingert und geküsst. Als kleines Mädchen hat sie keinen Mut etwas zu sagen und lässt es über sich ergehen. Geschockt von dem Vorfall und total zerknirscht kommt sie weinend zu ihren Eltern und erzählt erst nach sehr langem Zögern von dem Vorfall. Die Kriminalpolizei wird verständigt und der Fall kommt sogar vor das Gericht. Das Mädchen muss ständig Aussagen machen und jedes Mal kommen ihr dabei die Tränen. Sie hat Angst vor Fremden und Misstrauen vor älteren Männern bekommen, die das gleiche noch einmal mit ihr machen könnten. Der Täter wird nur auf Bewährung bestraft und muss dem Mädchen eine Geldstrafe zahlen. Doch obwohl er bestraft wurde, provoziert er weiter und läuft dem Mädchen hinterher, fährt mit dem Auto vorbei, wenn sie auf dem Hof spielt, … Für das Mädchen ist es eine Qual und sie will nicht mehr nach draußen vor lauter Angst. Das Mädchen kann einem sehr Leid tun und man fühlt mit ihr. Aber sie muss lernen, damit umgehen zu können, da die Gedanken daran sie nur krank machen würden und sie auch total verängstigen würden. Sie muss lernen, dass sie das Geschehene nicht mehr ändern kann, um ihr Leben wieder genießen zu können, indem sie einen Neuanfang wagt. Mit einer Psychologin redet sie erst mehrere Jahre nach dem Vorfall darüber, die ihr dann hilft, das Geschehene noch einmal aus anderer Sicht zu betrachten und diesen auf psychologische Art zu verarbeiten.
Es ist wichtig für das Mädchen, dass sie sagen kann, dass die sexuelle Belästigung zwar zu ihrem Leben gehört, sie aber ganz normal darüber reden kann, es aber in ihrem Buch des Lebens als eigenes, abgeschlossenes Kapitel steht, das eben vollendet ist. Nur durch das Ändern von dem Mädchen selbst, begann sie einen Neuanfang: Sie hatte keine Angst mehr, wenn der Nachbar vorbei fuhr und dachte nicht mehr, wie sehr er ihr weh getan hatte, sondern vielmehr: „blöder Idiot und dummes A…..!“. Außerdem zeigt sie ihm die ursprüngliche Angst auch nicht mehr und versteckt sich nicht mehr, sondern zeigt sich und tut so, als ob er gar nicht hier wäre. Durch das Verarbeiten von dem Vorfall mit der Psychologin und den veränderten Denk- und Handlungsweisen, ist es dem Mädchen gelungen, ein neues Kapitel in ihrem Buch zu beginnen. Denn den Nachbarn hätte man nie dazu gebracht umzuziehen. Nur durch das eigene Verändern des Mädchens konnte sie diese Geschichte abschließen.
So ist es auch mit vielen anderen Dingen im Leben: Eine Scheidung der Eltern oder ein Todesfall in der Familie, die einen sehr lange nachtrauern lassen können, sollten verarbeitet werden. Denn man kann sein Leben nicht genießen, wenn man unerfüllbare Wünsche hat, dass die Eltern zum Beispiel wieder zusammenziehen werden oder wenn man in der Vergangenheit lebt und der verstorbenen Person jahrelang hinterher trauert. Man darf traurig sein, aber so schwer es auch ist, sollte man damit klar kommen, dass die Eltern getrennt leben und dass es auch für die Person besser war, dass sie gestorben ist, weil sie sonst vielleicht Schmerzen hätte oder gelähmt wäre. Vielmehr sollte man sich dann sagen, dass es so besser ist, denn dann streiten sich die Eltern nicht mehr und man selbst weiß, dass einen beide lieb haben. Auch ist es mit der verstorbenen Person so, dass man nicht vergessen sollte, dass diese auch unglücklich wäre, wenn man es selbst ist und es dieser viel lieber wäre, wenn man glücklich wäre und sein Leben wieder mit anderen „beginnt“. Wichtig ist, dass man nicht in der Vergangenheit lebt, sondern Geschehenes durchlebt, verarbeitet und dann irgendwann ablegt.
Zusammenfassend bin ich der Meinung, dass Neuanfänge sehr wichtig für uns sind. Sie erleichtern einem das Leben, sodass man Altes hinter sich lässt und das Leben in einem neuen Kapitel wieder genießen und leben kann. Und wie schon tachribri geschrieben hat, erreicht man diesen Neuanfang nur durch das Verarbeiten der Probleme und dem Eingestehen seiner eigenen Fehler, sodass das „Wollknäuel“ wieder gelöst ist und man ein neues Kapitel in dem Buch seines Lebens schreiben kann.
Was bedeuten Neuanfänge für dich?
3 Kommentare
Kommentieren →Zuersteinmal: Ich finde deinen Beitrag sehr gelungen! Auch das Beispiel passt meiner Meinung gut und verdäutlicht was du sagen willst.
Als ich die Frage gelesen habe, ob wir immer mal wieder einen Neuanfang brauchen, habe ich auch sofort daran gedacht, dass wir – so wie du gesagt hast – nie ganz von vorne beginnen können, dass unsere Vergangenheit immer ein Teil von uns ist.
Neuanfänge sind für mich auch die kleinen Dinge im Leben. Einfach bestimmte Verhaltensmuster abzulegen und etwas Neues probieren. Es sind zwar nur kleine Neustarts, aber müssen es immer gleich drastische Veränderungen sein? Für uns sind sie dann deutlicher, wir nehmen sie bewusster war, wenn es große Veränderungen sind. Ich bin aber der Meinung, dass auch kleine Veränderungen in unserem Leben Neustarts sein können, die einen genauso weiter bringen wie große Veränderungen. Ein Neustart ist für mich auch immer mit der eigenen Vergangenheit verbunden, denn oft vollzieht man einen Neubeginn, um etwas zu ändern was in der Vergangenheit schiefgelaufen ist.
Deine zwei Beispiele kann man sehr gut nachvollziehen und sich dieses Zitat näher vorstellen. Ich bin der Meinung, dass wir schreckliche Erlebnisse nie komplett vergessen können. Wir lernen mit diesen Dingen umzugehen, aber an manchen Stellen des Lebens, z.B. an traurigen Tagen, denkt man an die Vergangenheit und erlebt diese schrecklichen Erlebnisse von neuem. So kann man diese Erlebnisse verdrängen aber nicht ,auf natürlichem Wege, komplett auslöschen. Es wird immer wieder Momente geben, an denen man sich zurück erinnert. Mit der Zeit wird man sich dennoch an diese Erinnerungen gewöhnt haben und man kann besser mit diesen umgehen. Vielleicht wird es einige Jahre dauern oder die Hilfe eines Psychologen aber irgendwann kommt man zu dem Zeitpunkt, dass man einen Neuanfang starten kann.
Wenn ich dein Thema auf den immer wiederkehrenden Jahreswechsel, und damit Neujahr beziehen darf, möchte ich hinzufügen, dass es auch sehr wichtig ist sich in jedem zu Ende gehenden Jahr Gedanken über das vergangene Jahr zu machen.
Zu der (für mich anfangs) unscheinbaren Frage „Was nimmst du dir für das neue Jahr vor?“ zum Jahresstart sollte sich auch jeder von uns Gedanken über das alte Jahr machen. Man macht viele Fehler, weiss nicht immer das zu schätzen, was man hat/bekommen hat und so weiter. Wenn man das alte Jahr Revue passieren lässt fällt einem dazu bestimmt das eine oder andere ein. Deswegen finde ich, dass auch das Ende und somit der Neustart in ein neues Jahr eine Chance ist, versäumte Sachen nachzuholen oder Fehler zu berichtigen, die JEDER nutzen sollte.