Ein Gläschen Wein zum Abendessen, ein Bier mit Freunden oder ein Sekt zum Anstoßen. Alkohol gehört für viele Menschen selbstverständlich zum Leben dazu. Herstellerangaben aus dem Jahr 2022 zufolge, konsumierte in Deutschland durchschnittlich jede Person 91,5 Liter Bier, 19,9 Liter Wein, 3,2 Liter Schaumwein und rund 5,2 Liter Spirituosen im Jahr. Oft heißt es „jeder kann ja selbst entscheiden, ob er trinkt und auch wie viel“ Doch ist das wirklich so einfach?
Zunächst scheint die Antwort klar. Wir leben in einer freien Gesellschaft. Schon der zweite Artikel im Grundgesetzt handelt um die Freiheit des Individuums: Artikel 2 Absatz 1 „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetzt zerstößt“. Die verfassungsmäßige Ordnung lautet hier ab 14 leichte alkoholische Getränke, aber nur mit dem Einverständnis eines Erwachsenen. Ab 16 ist es erlaubt Bier, Wein und Sekt zu kaufen und zu konsumieren und mit der Volljährigkeit ist auch hochprozentiger Alkohol erlaubt. Im Straßenverkehr gilt für Fahranfänger unter 21 und in der Probezeit 0,0 Promille und ansonsten maximal 0,5 Promille. Rechtlich gesehen kann man, wenn man über 18 Jahre und kein Fahrer ist, ganz klar selbst entscheiden ob und wie viel Alkohol man trinkt.
Allerdings ist die Realität komplexer. 2014 wurde von dem Gesundheitspsychologin Rachel Leung aus 22 Studien untersucht, wie Freunde und Freundinnen den Alkoholkonsum von Jugendlichen beeinflussen. Sie stellte fest, dass Jugendliche, deren Freunde und Freundinnen trinken, beginnen selbst eher Alkohol zu konsumieren. Das heißt das Umfeld und der Gruppenzwang haben einen Einfluss darauf, ob Jugendliche Alkohol konsumieren.
Die ehemalig Alkoholabhängige Emily Kaner stellte 2022 durch eine Umfrage an 50 Jugendlichen von 12-16 fest, dass soziale Beziehungen insbesondere die Anwesenheit enger Freunde die Entscheidung beeinflusst, Alkohol zu konsumieren. Die Frage ob und wie viel Alkohol Jugendliche trinken liegt nicht nur an dem Individuum selbst, sondern auch an seiner Freundesgruppe.
Zudem muss bedacht werden, dass es oftmals einen Rechtfertigungsdruck gibt, warum man keinen Alkohol konsumiert und man nüchtern als „Spaßbremse“ angesehen wird.
Auch psychologische Faktoren können eine Rolle spielen. Viele Menschen greifen zu Alkohol um Stress abzubauen oder um ihre Einsamkeit zu bewältigen. Das Glas Rotwein nach einem stressigen Arbeitsalltag oder das Bier jeden Abend in der Kneipe mit Bekannten. Teilweise ist hier der Grund für den Konsum nicht Genuss oder ein Gefühl von Freiheit, sondern emotionale Abhängigkeit. Vor allem wenn der Konsum zur Gewohnheit wird und Betroffene in eine Alkoholabhängigkeit geraten. Alkoholabhängigkeit zählt zu einer der meistverbreiteten Süchte in Deutschland mit 1,6 bis 1,8 Millionen Betroffenen. Dazu kommen nach der Deutschen Hauptstelle für Sucht (DHS) 7,9 Millionen Menschen in Deutschland, deren Konsum als riskant eingestuft wird. Alkoholabhängige können nicht völlig frei entscheiden, da ihre Entscheidungsfähigkeit krankheitsbedingt eingeschränkt ist.
Zusammenfassend ist die Frage, ob jeder selbst entscheiden kann ob und wie viel Alkohol er konsumiert, komplexer als nur die rechtliche Seite. Vor allem bei Jugendlichen spielt der Gruppenzwang in einer Freundesgruppe und der Wunsch nach sozialen Beziehungen eine große Rolle. Auch der Konsum aufgrund einer emotionalen Abhängigkeit bis hin zu einer Alkoholabhängigkeit ist die Entscheidungsfreiheit, auch krankheitsbedingt, eingeschränkt.
Ich selbst bin 17 Jahre und meiner Erfahrung nach ist die Freundesgruppe entscheidend, wie viel man trinkt. Ist man in einer Freundesgruppe, bei der der Konsum von Alkohol eine untergeordnete Rolle spielt, ist es möglich frei über seinen Konsum zu entscheiden. Es herrscht kein Gruppenzwang und auch keine Rechtfertigungsdruck. Allerdings sieht dies in einer Freundesgruppe für die Alkohol normalisiert ist, ganz anders aus. Trinkt man nicht sind oftmals soziale Beziehungen und Freundschaften schwierig bis nicht möglich und man wird aus der Gruppe ausgeschlossen. Das ist auch verständlich, da man nicht gleich wie die anderen aufgeschlossen und offen ist. Ein weitere Punkt der beachtet werden muss ist, dass das Ablehnen von Alkohol, welches einem aufgedrängt wird, meistens zu Unverständnis und Rechtfertigungsnot führt. Dies führt immer zu einer unangenehmen Situation. Zudem ist es bei Saufspielen zwar möglich den Alkohol durch Limo zu tauschen, allerdings ist es nicht sehr erwünscht. Wenn man dies verhindern möchte, müsste man Alkohol konsumieren. Der Konsum dann ist alles andere als eine freie Entscheidung, sondern den Wunsch nach sozialen Beziehungen und Freundschaften. Ich denke allerdings, dass es in der Zukunft normalisierter ist, keinen Alkohol zu konsumieren und damit der Rechtfertigungsdruck nicht mehr so hoch ist. Es gibt einen langfristigen Rückgang des Alkoholkonsums seit 40 Jahren. Der Pro Kopf Verbrauch sank von 147 Liter (2003) auf 1995 Liter (2023/2024). Vor allem sinkt der Verbrauch von Bier stark. Der Bierabsatz hat sich in den 30 Jahren fast halbiert. Von rund 130 Liter 1995 auf ca. 88 Liter 2024.
Quellen:National Library of Medicine Rachel K Leunng: 2011, URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25211209/
National Library of Medicine Emily Kane: 2022, URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35660334/
My Way Betty Ford Klinik: 21.10.25, URL: https://www.mywaybettyford.de/suchtkompendium/leben-ohne-alkohol/
Deutsche Hauptstelle für Suchtanfragen (DHS): 2022, URL: https://www.dhs.de/suechte/alkohol/zahlen-daten-fakten/
T-Online, Claudia Zehrfeld: 12.09.22, URL: https://www.t-online.de/leben/familie/teens/id_49295364/jugendschutzgesetz-alkohol-ab-wann-und-was-ist-erlaubt-.html
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