5 400 000
Diese Zahl beschreibt die Kriegsopfer im Zeitraum 1955-2002 und das, in nur 13 Ländern der Erde. Hinter jedem dieser 5,4 Mio. Fälle steht ein Einzelschicksal, eine trauernde Familie und ein ganzes Leben, das nun ungelebt bleibt. Egal, wie fortschrittlich die Welt zu sein scheint, und egal, welche Vielfalt der Kommunikation sich bereits aufgetan hat – beinahe täglich wird durch neue Schreckensnachrichten klar: der Mensch ist oft nicht dazu fähig, auf gewalttätige Auseinandersetzungen zu verzichten und Sachverhalte durch Diplomatie zu lösen.1
Schon als Kleinkind wurde einem beigebracht, dass der Stärkere nachgeben solle, dass Gewalt keine Lösung und Krieg eines der schlimmsten Dinge der Welt sei. Die Kriegsparteien hingegen argumentieren stets damit, dass der von ihnen geführte Krieg gerecht sei, ja oftmals sogar im Namen der Gerechtigkeit stattfinde. So rechtfertigten die Kreuzritter ihre Züge als „Bellum Iustum“ also als gerechten Krieg, da sie aus ihrer Sicht sowohl eine gute Absicht, als auch einen guten Grund nämlich „die ungerechte Behandlung von Gläubigen“ hatten.2
Der entscheidende Aspekt bei der Frage nach einem gerechten Krieg ist also die Definition von Gerechtigkeit.
Grundsätzlich steht Gerechtigkeit aus heutiger Sicht in einem starken Verhältnis zu Gleichheit. Der Mensch wird als gleichwertig aufgefasst und ihm steht deshalb auch das Gleiche zu. Das erscheint auf den ersten Blick eigentlich sehr passend, betrachtet man jedoch die starke Individualität des Menschen und die unterschiedlichen wirtschaftlichen und reiligiösen Vorraussetzungen, so weist diese Definition Lücken auf. Es wäre beispielsweise sehr ungerecht, wenn alle Schüler ihre Schulbücher von ihrem Taschengeld bezahlen müssten. Zwar wäre es eine Regel, die für alle gleich wäre, jedoch würde sie unterschiedliche Folgen aufzeigen. Ein Kind mit viel Taschengeld würde den Unterschied kaum bemerken, eines mit weniger schon. Dieses müsste dann eventuell auf ein paar Besuche im Schwimmbad verzichten und wäre dadurch im Nachteil. Ähnlich ist das auch beim Krieg. Selbst wenn beide Parteien die exakt gleichen Waffen in genau der gleichen Anzahl besitzen würden, hätte eine zum Beispiel durch besser Soldaten, bessere Beziehungen oder eine bessere geografische Lage trotzdem einen Vorteil.3
Gerechtigkeit ist also weniger die allgemeine Gleichheit sondern mehr die Chancengleichheit. Diese ist jedoch eigentlich nur hypothetisch zu erreichen, da zu einer vollkommenen Chancengleichheit unglaublich viele Faktoren zählen. Trotzdem ist es für den ethischen Gedankengang wichtig, auch diese Hypothese auszuführen. Bei einem vollkommen chancengleichen Krieg wäre die Wahrscheinlichkeit für einen Sieg bei genau 50% und wer würde hier schon riskieren zu verlieren? Wer einen Krieg beginnt, macht dies meist, wenn er sich sicher ist, ihn zu gewinnen oder sich zumindest ernsthafte Chancen ausmalt. Ansonsten versuchen die Parteien sich schon vorher auf einem anderen Weg bessere Möglichkeiten zu beschaffen. Das Szenario, dass tatsächlich ein fairer Krieg stattfindet ist also im Normalfall höchst abstrakt.
Nun wurde die Gerechtigkeit der kriegsführenden Parteien betrachtet, der wichtigere Bereich betrifft jedoch jene, die keinen Krieg führen wollen, die Familien und Unbeteiligten, die mehr oder minder ungewollt ins Geschehen hineingerissen werden und die einen bedeutenden Teil der 5,4 Millionen Kriegstoten ausmachen. Gibt es für sie die Möglichkeit auf einen gerechten Krieg? Laut der Bundeszentrale für Politische Bildung ist „Gerechtigkeit […] ein zentraler Grundwert und oberstes Ziel des Rechtsstaates.“ Dieser Rechtsstaat muss sich, genau wie dessen Bürger, an bestimmte Regeln, beispielsweise die Grundrechte, halten. Für die Frage nach einem gerechten Krieg sind vor allem die ersten drei Artikel wichtig. Darin heißt es die Menschenrechte wären die Grundlage der menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt. Dabei wird jeder Mensch als gleichwertig wahrgenommen und besitzt ein Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Nach unserem deutschen Grundrecht und nach den Menschenrechten ist also jede Tat, die Menschen grundlos oder aufgrund einer speziellen Eigenschaft verletzt oder tötet nicht gerecht. 4,5
Und genau in diesem Aspekt lässt sich die Abgrenzung zu Kriegsparteien wie den Kreuzrittern ziehen, die behaupten, ihr Krieg wäre gerecht. Es geht nämlich darum, für wen Gerechtigkeit gelten soll. Wenn man nur seinesgleichen Gerechtigkeit verspricht und auch nur sie als Personen wahrnimmt, die Gerechtigkeit verdient haben, dann kann man auch problemlos behaupten, der Krieg sei gerecht, da es ja schließlich um die Unterwerfung des minderwertigen Anderen geht und dies der jeweiligen Vorstellung von Gerechtigkeit entspricht. Weitet man jedoch diesen Focus, so wie beispielsweise die Menschenrechte, auf die ganze Weltbevölkerung aus, so kann man ganz klar formulieren, dass es keinen gerechten Krieg gibt. Es gibt weder Chancengleichheit, noch Fairness, stattdessen wird das zentrale Recht, das für alle Menschen gleich ist, das Recht auf Leben gebrochen.
Was sagt ihr zu diesem Thema? Wie wichtig findet ihr die Menschenrechte und das Recht auf Leben? Würdet ihr es, zum Beispiel für die Todesstrafe brechen? Schreibt mir gerne eure Meinung in die Kommentare 😉
Anhang:
- Fußnoten / Quellen:
- Artikel von der „ZEIT online“ 5,4 Milionen Tote (20. Juni 2008) https://www.zeit.de/online/2008/26/Zahl-Kriegstote-korrigiert?utm_referrer=https%3A%2F%2Fduckduckgo.com%2F
- Wikipedia „Kreuzzug“ https://de.wikipedia.org/wiki/Kreuzzug#Grundlage_des_Kreuzzugsaufrufs
- Artikel von Elisabeth Scharfenberg „Was ist gerecht?“ (27. Juni 2016) https://elisabeth-scharfenberg.eu/gerechtigkeit/
- BPB, Gerechtigkeit https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/politiklexikon/17548/gerechtigkeit
- BPB Grundrechte https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/politiklexikon/17585/grundrechte
- Weitere Infos/ Interessantes zum nachlesen:
3 Kommentare
Kommentieren →Hey Iduna,
Ich finde du hast dir ein sehr wichtiges Thema rausgesucht und deine Meinung gut erläutert. Das Thema ist immer aktuell, denn es gibt an so vielen Orten der Welt Krieg.
Ich persönlich finde auch, dass ein Krieg an sich niemals gerecht sein kann, da dies wie du selbst schon gesagt hast ein rein hypothetischer Gedanke wär. In Kriegen werden immer sehr viele Leute ungewollt miteinbezogen, obwohl sie oftmals nicht einmal was damit zu tun haben.
Eine sehr wichtige Frage finde ich ist, ob man einen Krieg rechtfertigen kann. Hierbei denke ich, dass man das nicht pauschal beantworten kann sondern die Einzelfälle betrachten muss. Manchmal gibt es keinen anderen Ausweg als einen Krieg zu führen, ein Beispiel hierfür wäre, wenn man von seiner Regierung unterdrückt wird und Aufstände und sonstiges nicht helfen. Viele Kriege kann man aber auch nicht rechtfertigen, zum Beispiel wenn ein Krieg aufgrund von Meinungsverschiedenheiten verschiedener Religionen stattfindet.
Häufig werden Kriege geführt um für Gerechtigkeit zu sorgen, aber der Krieg selbst kann nie gerecht sein.
Hallo Iduna,
Wie wichtig finde ich das Recht auf Leben? Meiner Meinung nach ist dies unverhandelbar. Ein Staat oder eine Gesellschaft hat nicht das Recht darüber zu bestimmen, ob jemand Leben darf, oder ob er nun umgebracht werden darf (im Sinne der Todesstrafe). „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“, heißt der erste Artikel der UN Menschenrechtscharta, unterschrieben von 192 Staaten. Und keines davon hält sich wirklich dran, siehe Waffenlieferungen und Kriegsführung zum Beispiel in Syrien oder ganz dreckig im Yemen. Krieg ist auch keine Frage der Gerechtigkeit. Krieg ist fatal und geht gegen die Menschenwürde.
Hallo Iduna,
Ich persönlich denke, dass es nie einen gerechten Krieg geben wird. Denn auch wenn es im Krieg Regeln aus dem Genfer Abkommen von 1949 gibt wird sich doch eher sporadisch daran gehalten. Ich denke Auch, dass Krieg eigentlich nie wirklich sinnvoll ist, selbst wenn sich alle an die Regeln Halten würden. Bezüglich deiner Frage zu Todesstrafe sehe ich dass ganze sehr ähnlich, denn auch in den Menschenrechten steht geschrieben, dass jeder Mensch ein Recht auf Leben und Folterverbot hat.
Liebe Grüße
Littleangel.