Philosophie im 21 Jhd.: noch zeitgemäß?

Ausgangskonflikt der Philosophie mit der Wissenschaft

Grundsätzlich stehe ich der Philosophie positiv gegenüber, doch es gibt einige Aspekte an ihr, die mich stören. Und wenn es einen Aspekt gibt, der mich besonders stört, dann ist es die Undefiniertheit ihrer Grenzen. Damit meine ich nicht nur, dass in den Augen unserer Gesellschaft zwischen Philosophie und Nachdenken kaum unterschieden wird, sondern auch, dass man – wenn man Philosophie betreibt – nie genau weiß, wann man über Philosophie redet, und wann über Wissenschaft: Redet man über Demokrit und seine Annahme aus was die Welt bestehe, redet man unweigerlich über Physik, diskutiert man über Platons Staatstheorie kann man der Politikwissenschaft nicht aus dem Weg gehen. Bei Hobbes bzw. Rousseau ist es die Wissenschaft der Anthropologie und will man mehr über Peter Bieri erfahren, muss man sich in die Grundlagen der Neurologie einarbeiten. Hiermit will ich nicht sagen, dass mich dieser Dualismus an sich stört, sondern nur dass mir die Ungewissheit missfällt, wo Fakten enden und wo Philosophie (also Weltanschauung) beginnt. Denn wie wir feststellen müssen, bestehen viele der obigen „philosophischen“ Theorien daraus, wissenschaftliche Fragen zu beantworten (bspw.: Aus was besteht die Welt, wie handelt der Mensch oder welchen Zwängen unterliegt der menschliche Denkapparat?) ohne wirklich empirische Wissenschaft zu betreiben. Doch wenn die meisten der obigen Fragen sich prinzipiell mithilfe der Wissenschaft beantworten lassen: Wird die Philosophie bei steigendem wissenschaftlichem Fortschritt von der Wissenschaft verdrängt? Ist sie obsolet oder gar eine Hemmnis, da die Wissenschaft alles erklären könnte (und die Dinge, die sie nicht erklären könnte unerklärbar sind)? Oder schließen beide Modelle sich nicht gegenseitig aus? Und wenn ja, wie sollte die Aufgabenverteilung aussehen? Diesen Fragen werde ich im Folgenden nachgehen.

Was ist Philosophie?

Wollen wir über die Philosophie und ihre Abgrenzung zur Wissenschaft diskutieren, so müssen wir erst einmal definieren, was Philosophie ist bzw. was nicht. So lässt sich aus dem Namen Philosophie zwar „Liebe zur Weisheit“ schließen, aber für eine Definition ist dieser Begriff zu vage. Das liegt vielleicht nicht unbedingt daran, dass „Weisheit“ zu abstrakt gehalten ist, sondern vielmehr daran, dass Philosophie eben zu breit gefächert ist, um sich durch ein einzelnes Wort zu definieren. Schauen wir also in die Geschichte der Philosophie von Thales bis Habermas und betrachten die wichtigsten Werke, so stellen wir schnell fest, dass innerhalb dieses konturlosen Fachbereichs sich allerhand Theorien befinden, die versuchen, Dingen irgendeinen Sinn zu geben. So versucht die Philosophie – rein durch die Kraft der Gedanken – die Existenz des Menschen und der Welt zu ergründen und zu deuten. Sie versucht also die Komplexität der Welt einzuordnen und daraus konkrete Handlungsforderungen an den Menschen abzuleiten.

Überschneidungen mit der Wissenschaft

In ihren Bemühungen das Wesen der Welt zu ergründen, überschnitt und überschneidet sich die Philosophie ständig mit einem weiteren System der Erkenntnissuche,- der Wissenschaft. Denn will man das Wesen der Welt deuten, muss man erst die Welt verstehen, analysieren und erklären können. Zentraler Unterschied zwischen Wissenschaft und Philosophie ist hier also der Bezug zum untersuchten Objekt: Während die Wissenschaft das Objekt (also die Welt) empirisch untersucht und seine Funktionsweise erklärt, deutet die Philosophie diese ohne Bezug zum Objekt. So ist die Wissenschaft überhaupt erst Voraussetzung der Philosophie. [1]

Fassen wir diese Gedanken zusammen ließe sich aus meiner Sicht schlussfolgern, dass sich beide Systeme nicht ausschließen, da sie sich perfekt ergänzen: Die Wissenschaft liefert uns die Erkenntnis und die Philosophie rahmt sie in ein passendes Weltbild ein. Dementsprechend sollte sich die Philosophie anhand der Wissenschaft orientieren.

Anregungen für eine bessere Philosophie

Doch wie wir in den oben geschilderten Beispielen sehen mussten, klappt diese Arbeitsaufteilung nur in beschränktem Maße, da die Philosophie nicht immer die Funktion ausübt die sie ausüben sollte. In vielen Gesellschaften der Vergangenheit war dies auch nicht unbedingt problematisch, da die Wissenschaft noch nicht ausgereift genug war, um sich mit der Philosophie zu überscheiden und nicht mächtig genug, als dass die Dysfunktion der Philosophie aufgefallen wäre. Doch in Zeiten in denen wir die Grundaufbau der Welt nutzen könnten um zu zerstören (Atombombe) und in denen wir die Raffinesse besitzen um Menschen nachzuahmen (KI) brauchen wir eine funktionsfähige Philosophie. Wir brauchen sie aus dem einfachen Grund uns selbst nicht zu vernichten. Dazu muss sie sich jedoch deutlich von der Wissenschaft abgrenzen und sich auf die oben geschilderte Grundfunktion beschränken. In diesem Sinne folgen hier vier Anregungen an die Philosophie (in Anlehnung an die vier Punkte Kants):

  1. Was ist Wissenschaft?

    Dieser Punkt ist im Sinne der Wissenschaftstheorie zu verstehen. Er bezieht sich so auf die Fragen was Wissenschaft überhaupt für Erkenntnisse liefern kann, wie Wissenschaft betrieben werden muss, um als wissenschaftlich zu gelten und wie sich diese wissenschaftliche Methodik von unwissenschaftlicher Methodik abgrenzt.

    2. Wie weit darf Wissenschaft gehen?

    Hiermit meine ich nicht nur, dass wir uns z.B. fragen sollten ob es legitim ist, dass für die Wissenschaft Menschenleben gefährdet werden, sondern auch ob wir als Menschen überhaupt alle Dinge wissen wollen. Wollen wir verstehen wie die menschliche Psyche funktioniert, oder biete dieses Wissen nicht zu viel Potenzial für Manipulation? Wollen wir den Grundaufbau der Welt verstehen oder biete dies nicht Potential für größere und stärkere Waffen?

    3. Was ist die Bedeutung von Wissenschaft?

    Dieser Punkt ist der wichtigste Punkt meiner Anregungen und dahingegen zu verstehen, als dass die Philosophie die Erkenntnisse der Wissenschaft gewichtet und sie interpretiert: Was sind die Schussfolgerungen (für den Menschen) aus den Erkenntnissen z.B. der Quantenmechanik/ der Neurobiologie? Warum lohnt es sich sie zu erforschen? 

    4. Wie handeln wir nach den Erkenntnissen der Wissenschaft?

    Wissen wir aufgrund der Erkenntnisse der Wissenschaft (z.B. in einer Pandemie), welches Handeln welche Konsequenzen mit sich zieht; wie entscheiden wir uns? Es ist die Grundfrage der Ethik, die wir heute besonders brauchen, da das Leben eines einzelnen Menschen noch nie so große Auswirkungen auf das Leben von so vielen anderen Menschen hatte. Noch nie zuvor stand ein Durchschnittsbürger der westlichen Welt durch einen einzigen Mausklick in einem wirtschaftlichen Verhältnis zu Menschen aus dem Rest der Welt und konnte über ihre Zukunft entscheiden.

    Suchen wir eine funktionsfähige Philosophie, so sollten die obigen Fragen ein Teil von ihr sein. Ohne sie jedoch würde die Philosophie in ihrer Funktion scheitern und wäre somit irrelevant. Dies bedeutet gleichfalls einige Themenfeldern wie die Metaphysik hinter sich zu lassen, da ihre Grundannahme bereits dem Prinzip der Wissenschaft widerspricht; Wir können manche Dinge nicht wissen und es wäre eine Zeitverschwendung sich damit zu beschäftigen.

    Was denkt ihr darüber? Denkt ihr Philosophie ist Zeitverschwendung, weil in ihr kein Erkenntnisgewinn liegt? Oder sollte sich die Wissenschaft an der Philosophie orientieren?

    Quellen:


    [1] Interessant dargestellt auch unter: https://www.deutschlandfunk.de/forschung-philosophie-als-wissenschaft-100.html

    Schreibe einen Kommentar