Wie sinnvoll sind Schulnoten?

Für viele sind Noten in der Schule ganz normal und Schule ohne Noten ist fast nicht vorstellbar. Doch wie sinnvoll und gerecht sind Noten überhaupt und gäbe es nicht bessere Alternativen?

Auf den ersten Blick scheint es so, als wäre Schule ohne Noten gar nicht möglich, denn sie beurteilen den Leistungsstand von Schülern, machen Vergleiche mit anderen möglich und geben Orientierung über den eigenen Lernstand.

Doch gleichzeitig sind sie nicht immer aussagekräftig, denn bspw. wird in einer Note nicht berücksichtigt, dass man an dem einen Tag der Klassenarbeit einen schlechten Tag hatte oder man in irgendeiner Weise total abgelenkt war, weil die Gedanken z.B. immer wieder bei der kranken Oma waren. Das kann dann nicht wirklich eine Aussage über den Wissensstand des Schülers machen.

Ebenso wird oft einfach nur mit dem sog. „Bulimie-Lernen“ für eine Test oder Klassenarbeit gelernt. Kurz vor der Abfrage alles auswendig lernen und in den Kopf prügeln, damit man es dann hoffentlich an der richtigen Stelle „ausspucken“ kann. Nach dem Test bräuchte man es ja nicht mehr, denn die Note ist ja schon gemacht, also ist es egal, wenn man es kurz nach der Abfrage wieder vergessen hat. Dieses Verhalten gibt dann auch nicht wirklich den Wissensstand des Schülers korrekt wieder, sondern zeigt viel mehr, wie viel man sich im Kurzzeitgedächtnis merken kann, wenn es darauf ankommt. Doch ob das die richtige Methode zum Lernen ist, ist die Frage.

Doch dieses Verhalten ist meines Erachtens auch zum Teil verständlich (ich mache es zum Teil ja genauso), denn wer gute Noten will, MUSS einfach lernen, auch wenn einen das Thema überhaupt nicht interessiert. Da wollen viele Schüler dann einfach so wenig Zeit wie möglich reininvestieren. Und wenn die Methode des „Bulimie-Lernens“ dann bei einem auch noch gut funktioniert, sehen es viele einfach nicht ein, „richtig“ zu lernen.

Das genannte Verhalten könnte jedoch mit alternativen Leistungsbeurteilungen eingeschränkt werden, wodurch man dann effektiver lernen würde. Dies sieht man am Beispiel der Schule IGS List Hannover. Das ist eine Schule, die ein neues Konzept entwickelt hat, denn in dieser Schule gibt es bis zur 8. Klasse keine Noten, sondern es wird auf ein sog. Lernquadrat zurückgegriffen. Dieses besteht aus vier verschiedenen Arten der Leistungsbeurteilung, unter anderem aus Selbstbeurteilungen, ausführlichen Feedbacks und regelmäßigen Gespräche zwischen Schülern, Eltern und Lehrern. Bei dieser Art der Leistungsbeurteilung wird nicht nur das auswendiggelernte Wissen abgefragt, sondern auch der Prozess des Lernens miteinbezogen. So lernen die Schüler zum einen WIE man lernt, denn sie setzen sich auch regelmäßig eigene Lernziele, sie übernehmen aber auch selbst mehr Verantwortung über ihr eigenes Lernen und lernen nicht nur „weil der Lehrer eben will, dass ich das jetzt lerne“ wie viele Schüler sagen würden. So ist diese Art von Bewertung mehr individuell anstatt vergleichend.

Allerdings ist auch offensichtlich, dass diese Methoden oft aufwendiger sind als „normale“ Bewertung durch Noten.

Weitergehend kann man zwar die Noten einzelner Schüler miteinander vergleichen, sodass man z.B. sieht, Schüler A hat in Deutsch eine 1 und Schüler B eine 3, doch ob damit wirklich die Leistung der Schüler vergleichbar ist, ist fraglich. Denn jeder Lehrer hat verschiedene Ansprüche an seine Schüler und benotet dementsprechend unterschiedlich. Ganz zu schweigen von den verschiedenen Schwierigkeitsgraden der Klassenarbeiten von verschiedenen Lehrern. Schon in niedrigen Klassenstufen wird sich beschwert, wenn man z.B. Lehrer XY in Mathe bekommen hat und dessen Klassenarbeiten immer viel schwieriger sind, als die Klassenarbeiten der Parallelklasse, die einen anderen Lehrer in Mathe hat.

Des weiteren kann man sagen, Noten geben Motivation zur Verbesserung und zum Weitermachen, denn bekanntlich ist „nichts erfolgreicher als der Erfolg“. Doch während die einen von ihren guten Noten motiviert werden, wirken bei dem anderen die Noten extrem demotivierend, da er ständig mit seinen Schwächen konfrontiert wird und einfach keine Verbesserung feststellen kann. Und wer vielleicht sowieso schon in einem sozial schwachen Umfeld lebt, wird zusätzlich noch wegen seinen schlechten Noten gemobbt und so werden die sozialen Ungleichheiten noch verstärkt.

Natürlich sind Noten wichtig, um Orientierung für z.B. weiterführende Schulen, Ausbildung oder Studium zu finden, doch sie können auch sehr den Zugang zu bestimmten Bildungswegen erschweren, weshalb man vielleicht nicht den gewünschten Beruf ausüben kann. So ist es natürlich schade, wenn man beim Medizinstudium nicht angenommen wird, weil man „nur“ einen NC von 1,1 hat. So ist es nämlich einer Bekannten von mir ergangen. Doch Noten sagen ja auch nichts über die Persönlichkeit aus. So wäre es z.B. beim Medizinstudium wichtig, nicht nur auf die Noten zu achten, sondern dass auch die Persönlichkeit einen Einfluss darauf hat, ob man bei dem Studiengang angenommen wird oder nicht. Denn Noten sagen ja nicht alles über einen. Denn was bringt ein Arzt, der sich zwar in seinem Themengebiet perfekt auskennt, aber nicht mit Menschen umgehen kann. Deshalb wäre es auch wichtig in diesem Beispiel darauf zu achten, dass der Bewerber für das Medizinstudium auch empathisch ist, damit er sich als Arzt später auch in die Patienten hineindenken kann und ihnen z.B. eine schwere Diagnose möglichst schonend beibringen kann. In diesem Fall wäre dann ein ausführlicher Bericht und nicht nur die Noten schwarz auf weiß nötig.

Dem gegenüber könnte man jedoch gleich wieder einwenden, dass es ja auch sinnvoll ist, dass Noten entscheiden, wer studieren darf und wer nicht. Eine Studie von Trapmann et al. „Die Validität von Schulnoten zur Vorhersage des Studienerfolgs – eine Metaanalyse“, von 2007 zeigt den Zusammenhang zwischen Abiturnoten und dem Studienerfolg. Es zeigt, wer gute Noten hat, hat gute Chancen das Studium erfolgreich abzuschließen. Hier ist sinnvoll, dass Noten entscheiden, wer studieren darf und wer nicht, da man sonst nur unnötig viele Studienabbrüche hätte.

Leider leiden auch viele Schüler unter Leistungsdruck, wie verschiedene Studien zeigen, was auch zu Versagerängsten führen kann. Leistungsdruck kann sich auf verschiedene Weisen äußern. Ein Bekannter von mir, bei dem in der Schule sehr viel erwartet wird, hasst mittlerweile die Schule, weil er immer behauptet, er könne es sowieso nicht. Und das, obwohl er erst in der Grundschule ist.

Ein positiver Aspekt von Schulnoten ist jedoch hingegen, dass jeder damit etwas anfangen kann und man einen gleich bei bestimmten Leistungen einordnen kann. Egal ob Schüler selbst, die Eltern oder z.B. die Oma. Selbst sie kann schnell die Leistungen ihres Enkels einschätzen. Denn mit den Noten wird gleich ein bestimmter Wissensstand und Lernvermögen verknüpft. Außerdem geben Noten klare Orientierung. Es ist nämlich schon auf den ersten Blick erkennbar, ob Fortschritte vorliegen oder wo es Defizite gibt. Und das funktioniert mit Noten einfach klarer und schneller, als bspw. erst noch einen ganzen Bericht lesen zu müssen.

Zusammenfassend kann ich sagen, ist die Frage, wie sinnvoll Schulnoten eigentlich sind, sehr komplex und es gibt sowohl viele Argumente dafür als auch dagegen. Ich persönlich würde diese alternative Art von Bewertung gerne einmal kennenlernen, da ich mir noch nicht so gut vorstellen kann, wie sich das dann praktisch gestaltet. Doch wie einige Beispiele zeigen, kann es gut funktionieren, z.B. die schon erwähnte IGS List Hannover, Walddorfschulen oder auch in anderen Ländern, wie z.B. in Norwegen. Doch ich bin mir nicht sicher, ob es als Standartform funktionieren würden, da es eben aufwendiger ist und viel Engagement der Lehrer benötigt. Allerdings müssen auch die Schüler ihren Teil dazu beitragen, denn dazu benötigt es auf jeden Fall auch Motivation ihrerseits.

Quellen:

https://deutsches-schulportal.de/unterricht/schulnoten-ja-oder-nein

https://www.gew-sachsenanhalt.net/aktuelles/detailseite/schulnoten-ja-oder-nein

Schreibe einen Kommentar