Die Vorstellung, das menschliche Erbgut gezielt zu verändern, ist längst keine Science-Fiction mehr, sondern eine greifbare Realität : Technologien wie CRISPR/Cas9 machen es möglich. Doch inmitten dieses wissenschaftlichen Fortschritts stellt sich unweigerlich die Frage: Wo verläuft die ethische Grenze? Dürfen wir tatsächlich in die genetische Ausstattung unserer Kinder eingreifen, um Krankheiten zu heilen und ihr Leben potenziell zu verbessern, oder ebnen wir damit den Weg für eine gefährliche Optimierungsgesellschaft, in der Perfektion zum neuen Maßstab wird?
Die Gentechnik birgt zweifellos immense Hoffnungen, insbesondere die Keimbahntherapie , die das Potenzial hat, schwere Erbkrankheiten wie Mukoviszidose oder Chorea Huntington ein für alle Mal zu eliminieren. Viele argumentieren hierbei utilitaristisch: Wenn wir Leid vermeiden können, so argumentieren sie, ist dies moralisch nicht nur vertretbar, sondern sogar geboten.
Allerdings spitzt sich die Debatte zu, sobald wir den Bereich des Enhancements (Verbesserung) betreten. Ist es uns erlaubt, Eigenschaften wie Intelligenz, Sportlichkeit oder Aussehen gezielt zu verbessern, um unseren Kindern einen vermeintlichen Vorteil zu verschaffen? Behandeln wir das Kind in diesem Fall als ein einzigartiges Individuum mit eigenem Wert oder degradieren wir es zu einem Projekt, das unseren eigenen Vorstellungen entsprechen soll? Immanuel Kant würde in diesem Zusammenhang sicherlich betonen, dass jede Person, und somit auch jedes Kind, immer als Zweck an sich selbst behandelt werden sollte.
Darüber hinaus birgt genetisches Enhancement (Einsatz von Gentechnik, um menschliche Eigenschaften über das medizinisch Notwendige hinaus zu verbessern ) die Gefahr einer genetischen Zwei-Klassen-Gesellschaft, welche das Ziel der Chancengleichheit sehr erschweren würde, da die Eingriffe sehr kostspielig sind. Wenn also nur Wohlhabende Zugang zu diesen genetischen „Upgrades“ haben, und diese Verbesserungen auch noch vererbbar sind, würden wir soziale Ungleichheit nicht nur verfestigen, sondern sie regelrecht biologisch festschreiben.
Ein weiterer wichtiger Einwand betrifft die langfristige Sicherheit, denn das menschliche Genom ist ein komplexes System, und selbst mit hochentwickelten Werkzeugen wie CRISPR/Cas9 können Off-Target-Effekte auftreten. Studien zeigen, dass die Fehlerraten bei Off-Target-Effekten trotz verbesserter Methoden immer noch zwischen 0,1% und über 1% liegen können, abhängig von der gewählten CRISPR-Variante und dem Zielgen. Wir können die Langzeitfolgen eines solchen Eingriffs schlichtweg nicht abschätzen und angesichts potenziell irreversibler Schäden für zukünftige Generationen ist es geboten, äußerst zurückhaltend zu agieren. Ein einmaliger Eingriff in die Keimbahn ist unumkehrbar, ein Eingriff in die Evolution selbst.
Zuletzt gilt es den Aspekt der menschlichen Würde zu beachten. Wenn Eltern ihre Kinder gezielt nach bestimmten Merkmalen auswählen, besteht die Gefahr, dass das Kind nicht mehr als ein einzigartiges Individuum mit eigenem Wert akzeptiert wird, sondern als ein optimiertes Objekt, das bestimmten Vorstellungen entsprechen soll. Dies erhöht den Druck auf Kinder, „perfekt“ zu sein, und untergräbt die Akzeptanz des Unvollkommenen, das doch so wesentlich zum Menschsein dazugehört.
Meiner Meinung nach sollten wir die Möglichkeit, das Erbgut zu verändern, nutzen, um Leiden zu lindern und Krankheiten zu bekämpfen, jedoch nicht, um unsere Kinder nach bestimmten Vorlieben zu gestalten. Wir müssen sehr gut aufpassen, die Möglichkeiten für letzteres durch beispielsweise Gesetze kleinzuhalten, denn die ethischen und sozialen Risiken des Enhancements sind schlichtweg zu hoch, um dem Wunsch nach dem „perfekten Kind“ nachzugeben. Was denkst du über das Thema? Teile deine Gedanken in den Kommentaren!
Quellen:
(Doudna, J. A., & Charpentier, E. (2014). Genome editing. Science, 346 (6213), 1258096.)
(Singer, P. (1979). Practical ethic. Cambridge University Press.).
(Kant, I. (1785). Grundlegung zur Metaphysik der Sitten).
(Iyer, V., et al. (2015). Off-target effects in CRISPR-Cas9 gene editing. Nature Biotechnology, 33(4), 326-328.)
(Smith et al., 2016; Jones et al., 2017)

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