- Datum: 23.09.2020
- Klassenstufe: K2
- Standort: Ethikraum, Raum 2204, Gymnasium Gerabronn
- Teilnehmer: 13 von 15 Schülern
Die zweite Ethikstunde in dem neuen Schuljahr war der Ethik des Utilitarismus, im Besonderen der von John Stuart Mill gewidmet. Mit diesem Thema hatten wir bereits in der Kursstufe 1 begonnen, jedoch das Kapitel Corona-bedingt nicht vollständig abschließen können.
Einstieg
Um das Wissen aus dem vergangenen Schuljahr wieder aufzufrischen, startete die Stunde mit einem Spiel. An der digitalen Tafel wurden Zitate, Porträts und Situationsbeschreibung eingeblendet, welche dann dem Utilitarismus oder der Pflichtethik zugeordnet werden mussten. Diese Entscheidungen sollte der Kurs gemeinsam fällen, was auch recht gut funktionierte. Dies spiegelte sich im Resultat wider: Nur drei von ungefähr zwanzig „Kärtchen“ wurden falsch eingeschätzt.
Für diejenigen die sich nicht mehr an den Unterschied erinnern können, hier eine grobe Zusammenfassung:
Utilitarismus: (passendes Protokoll: 26.06.2020 von Galanterie)
Die Abwägung des Nutzens spielt hier eine zentrale Rolle. Das Gemeinwohl steht über dem Wohl des Einzelnen. Somit wird nach dem durchschnittlichen Pro-Kopf-Nutzen beurteilt, ob eine Handlung als gut oder verwerflich gilt. Der Zweck heiligt die Mittel. Jeremy Bentham und John Stuart Mill gelten als die Begründer dieser Ethik. Bentham war der Meinung Leid und Glück lasse sich quantitativ messen (wenn viele Menschen überleben und einer stirbt ist das besser als andersherum), wobei Mill die Meinung vertrat Glück und Leid lassen sich nur qualitativ messen.
Pflichtethik von Immanuel Kant:
Laut Kant ist einzig und allein die Motivation einer Handlung ausschlaggebend über die Gutartigkeit derselben. Der Zweck kann also nicht die Mittel heiligen. Jeder sollte nach Gründen, welche als allgemeingültige Regeln gelten könnten, handeln.
Utilitarismus von John Stuart Mill
Nach dem Einstieg wurde jedem Schüler ein Zitat von John Stuart Mill zugeteilt, zu welchem ein Arbeitsblatt ausgefüllt werden sollte. Die ausgeteilten Texte haben sich schnell als anspruchsvoll herausgestellt, jedoch gelang es jedem nach vielfachem Lesen den Sinn zu verstehen und das Blatt korrekt auszufüllen. Hier die Musterlösung.
Erklärung
Die Ethik Mills ist nicht allzu verständlich, deshalb folgt hier eine kleine Erläuterung zu dem Arbeitsblatt.
Kritik an Kant: Mill kritisiert Kant, da dieser eben nicht die Folgen einer Handlung betrachtet. Um einen guten Willen zu haben, müssen durchaus auch die Folgen betrachtet
werden um die Gutartigkeit einer Situation abschätzen zu können, so Mill. Laut ihm müssen die Auswirkungen auf die gesamte Menschheit, ja sogar auf die ganze fühlende Lebenswelt mit einbezogen werden.
Niedere Genüsse: Geistige Freuden, also die des Verstandes oder der Gefühlswelt, sind den sinnlichen vorzuziehen. Trotzdem geben viele Menschen der niedrigen Lustbefriedigung nach, was auf Charakterschwäche zurückzuführen ist. Außerdem meint er, dass einige Menschen, aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung oder von Zeitmangel, nicht zur höheren Fähigkeit geistige Lust zu empfinden in der Lage seien. Die niederen Genüsse sind somit ihre einzige Möglichkeit Lust zu empfinden.
Dem Schicksal begegnen: Um sich vor „den Wechselfällen des Lebens“ zu befreien, muss man das eigene Glück zugunsten dem von anderen aufgeben. Dabei behält man trotzdem die Fähigkeit Quellen seiner Freude zu pflegen, nur man rechnet nicht fest damit Glück zu erfahren, wodurch man nicht enttäuscht werden kann.
Opportun bedeutet: Das Verhalten einer Person nützt nur ihr selbst und verschafft ihr einen Vorteil im Vergleich zu Gesellschaft. Dem Rest der Gesellschaft nützt die Handlung nichts, oftmals schadet sie ihr sogar. Im Utilitarismus soll eben genau gegenteilig gehandelt werden, also nicht egozentrisch und nur nach dem Eigeninteresse, sondern gesamtgesellschaftlich denkend.
Lügen: Grundsätzlich gilt laut Mill ein Lügenverbot. Lügen untergräbt das gegenseitige Vertrauen und dient oft als Mittel für egoistisches Handeln von Einzelnen. Allerdings gibt es auch ein paar Ausnahmen, welche Lügen legitimieren. Wenn es in einer Situation, welche mithilfe des Nützlichkeitsprinzips abgewogen wird, nützlicher erscheint zu lügen, so ist man dazu berechtigt. Eine Beispielsituation: Ein Mann ist todkrank und wird in den nächsten Tagen sterben. Ein ihm sehr enger Freund stirbt. In diesem Fall wäre es nach Mill in Ordnung dem Mann die Neuigkeit vorzuenthalten, um ihn vor großer Trauer in seinen letzten Stunden zu schützen.
Utilitaristische Moral: Ihre Ziele sind Glück, Einheit, bzw. Gemeinschaftsgefühle und Gleichstellung. Deshalb sollen die Handlungen der Menschen auf das Wohlergehen der Gemeinschaft und nicht auf individuelle Bedürfnisse ausgerichtet sein.
Politik und Erziehung: Die Politik kann dem Utilitarismus dienlich sein, indem die Interessen von unterschiedlichen Gruppen ausgetauscht, voneinander verstanden und angeglichen werden können. So können sozialen Unterschiede ausgebessert werden. Die Erziehung soll den Gemeinschaftssinn des Einzelnen stärken und somit begünstigen, dass ein Jeder im Interesse des Gemeinwohls handelt.
Kritik am Utilitarismus / Handlungs- und Regelutilitarismus
Am Ende der Doppelstunde erläuterte uns unsere Lehrerin den Unterschied zwischen Regel- und Handlungsutilitarismus. Hierzu brachte sie uns eine Beispielsituation, welche wir abschätzen sollten. Diese sah ungefähr folgendermaßen aus:
Eine Gemeinde leidet unter Wasserknappheit, weshalb der Stadtrat alle Freibadbesitzer bittet ihre Betriebe vorläufig einzustellen und die Becken abzulassen. Ein Freibadbesitzer (ein Utilitarist) überlegt sich sein Bad offen zu lassen, um so den Menschen eine Möglichkeit zur Abkühlung an heißen Sommertagen zu bieten und ihnen so eine Freude zu bereiten. Er ist der Meinung, dass wenn er als einziger sein Bad öffnet, der Wasserverbrauch überschaubar sei. Soll er sein Freibad offen lassen?
Die Diskussion über das Fallbeispiel ging in eine Diskussion zur Kritik am Utilitarismus über. Folgende Punkte wurden in der Kursdiskussion genannt:
- Ein Schwimmbad sollte im Sinne der Bevölkerung geöffnet bleiben, allerdings muss dies unter allen Freibadbesitzern abgesprochen werden. Hierbei wäre es gut, wenn sich die Stadt einmischen würde und zwischen den Besitzern vermittelt. Wenn die Besitzer zusammen arbeiten, kann Personal, Arbeit und somit auch letztendlich der Profit geteilt werden.
- Es ist nicht überprüfbar, ob der Freibadbesitzer wirklich im Sinne der Allgemeinheit denkt oder ob er nur eine konkurrenzlose Möglichkeit sieht Profit abzuschöpfen.
- Eine wirklich utilitaristische Handlung wäre es, das Freibad zu öffnen, dabei allerdings auf Eintrittskosten zu verzichten oder mittels des Erlöses die Bekämpfung der Wasserknappheit zu unterstützen. Allgemeine Kritik am Utilitarismus
- Es ist von außen nicht einschätzbar, ob ein Mensch eigennützig oder altruistisch handelt. Mit dem Vorwand nur für die Gesellschaft etwas Gutes tun zu wollen, wurden in der Geschichte der Menschheit schon sehr egoistische und grausame Handlungen legitimiert → Scheinutilitarismus
- Die goldene Regel (Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst) ist erst dann anwendbar, wenn man sich selbst liebt. Wenn man zu sich selbst eine äußerst schlechte Beziehung hegt, ist es unmöglich sich anderen gegenüber korrekt und utilitaristisch zu verhalten.
- Da der Zweck die Mittel heiligt und es um das größtmögliche Glück geht, werden Minderheiten nicht geschützt und können einfach ausgebeutet werden.
- Der Utilitarismus kann nicht in allen Situationen einen Leitfaden bieten, da durchaus Entscheidungen getroffen werden müssen, bei welchen komplett unterschiedliche Optionen die gleiche Nützlichkeit haben. Ein Beispiel ist die Problematik mit dem autonomen Fahren. Wenn ein Computer eines Autos entscheiden muss, ob es einen Mann oder eine Frau überfährt, so birgt der Utilitarismus (wenn man sich von keinen Vorurteilen leiten lässt) keine Lösung. Wie denkt ihr über den Utiltarismus? Eignet er sich als Ethik, nach welcher ihr euer Leben ausrichten könntet oder eher nicht?
Quellen:
- Galanterie (2020). Protokoll des Ethikunterrichts vom 26.06.2020 – John Stuart Mill und der Utilitarismus. Zugriff am: 27.09.2020.
- YouTube, PhiloGramm (2019). Die Pflichtethik von Immanuel Kant. Zugriff am: 27.09.2020.
- YouTube, Die Merkhilfe (2015). John Stuart Mill: Der Utilitarismus – Qualitativer Hedonismus / Nützlichkeitsprinzip | Ethik 16. Zugriff am: 27.09.2020.
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