Schwanger werden und ein Kind zu erwarten stellt für viele Frauen oder Pärchen einen großen Wunsch dar. Diese erhoffen sich durch ein Kind das Lebensglück zu erreichen. Da scheint es doch paradox, dass einige Frauen ihre Schwangerschaft freiwillig abbrechen wollen. Doch was treibt eine Frau dazu? Und ist eine Abtreibung legitim oder muss doch eher von Kindesmord gesprochen werden?

Schon seit längerer Zeit, vor allem seit der Emanzipation der Frau, kommt oft die Frage auf, ob Schwangerschaftsabbrüche gegen moralische Gesetze verstoßen und als Mord gewertet werden sollten oder ob es sich bei der Abtreibung um eine persönliche legale Entscheidung handelt. Die Beantwortung dieser Frage gestaltet sich allerdings alles andere als einfach. Kulturen, Ideologien und Religionen vertreten oft sehr unterschiedliche Vorstellungen, was es einem demokratischen säkulären Staat erschwert ein objektives Urteil zu fällen und eine Gesetzeslage zu schaffen, welche fair ist und den Menschen schützt. In Polen gibt es momentan heftige Demonstrationen gegen das Abtreibungsverbot, welche mich zu diesem Beitrag inspiriert haben. Welche Ansichten gibt es zu diesem Thema und wie sollte darüber geurteilt werden?

Gesetzeslage in unterschiedlichen Ländern

Wenn man sich mit Abtreibungen auseinander setzt wird einem schnell klar, dass jede Entscheidung der Regierung nicht komplett richtig sein kann und alle Bürger komplett zufrieden stellt, da zwischen der Sicherheit des Kindes und der Freiheit der Mutter entschieden werden muss. Nationen gehen dabei unterschiedlich mit dem Recht, bzw. dem Verbot zur Abtreibung um.

In Deutschland ist es eigentlich gesetzlich verboten ein Kind abzutreiben. Allerdings wird hierbei die Strafverfolgung ausgesetzt, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

  • Die Schwangere muss mit dem Eingriff einverstanden sein
  • Die Schwangere muss mindestens drei Tage vor der Abtreibung ein Beratungsgespräch mit einem Arzt aufsuchen, welcher die Abtreibung letztendlich nicht durchführt
  • Das Kind darf zum Zeitpunkt der Abtreibung nicht älter als 12 Wochen alt sein

Die Kosten muss die betroffene Frau selbst übernehmen. Einige Frauen kritisieren, dass die Zahl der Kliniken hierzulande, welche bereit sind Abtreibungen durchzuführen in den letzten zehn Jahren um die Hälfte zurückgegangen sind. Grund hierfür ist das zunehmend schlechte Image der Abtreibung, aber auch die Tatsache, dass im Gynäkologie Studium Abtreibungen einen schwindend geringen Teil ausmachen. Für deutsche Frauen wird es also schwerer eine Schwangerschaft abzubrechen, weshalb immer mehr Frauen die Eingriffe im Ausland, wie in den Niederlanden, durchführen lassen.

Was hierzulande für einen großen Aufruhr bei den Abtreibungsbefürwortern gesorgt hat, war die Ankündigung von Jens Spahn, dass er eine Studie für fünf Millionen € in Auftrag gegeben hat um das „post abortion syndrome“ zu erforschen und zu belegen. Dieses Syndrom beschreibt, dass die Bedeutung und der Verlust durch eine Abtreibung der betroffenen Frau Jahre später bewusst wird und sie in Depressionen und Schuldgefühle stürzt. Dies würde laut manchen Wissenschaftlern die Frauen bis zum Suizid treiben. Allerdings widerlegen zahlreiche Studien diese Hypothese. Sie zeigen, dass nach längerer Zeit die eindeutige Mehrheit der Frauen ihre Entscheidung als richtig bezeichnet. Abtreibungsbefürworter bestreiten deshalb die Existenz dieses Syndroms und sehen die Studie als politisch motiviert.

Bekanntlich herrscht in den USA schon seit jeher eine gewaltige Debatte über Abtreibungsgesetze. Vor den wenigen Abtreibungskliniken, welche dort den Frauen zur Verfügung stehen, erwarten sie oft Anti-Abortion Anhänger, welche den Frauen Schuldgefühle einreden und sie des Mordes bezichtigen. Die Gesetzeslage ist in vielen Staaten eh schon ziemlich restriktiv, jedoch wollen jetzt einige Bundesstaaten wie Georgia die sogenannte „Heartbeatbill“ einführen und die Situation damit noch verschärfen. Dies bedeutet, dass sobald ein Herzschlag bei dem Embryo festgestellt werden kann, es der Frau untersagt ist die Schwangerschaft abzubrechen. Klingt zwar plausibel, allerdings kann der Herzschlag schon circa in der sechsten Schwangerschaftswoche nachgewiesen werden. Zu diesem Zeitpunkt wissen viele Frauen noch nicht einmal, dass sie ein Kind erwarten. Ihnen wird also keine Entscheidung geboten. Die Situation in Alabama ist allerdings noch extremer. Hier ist eine Abtreibung unter allen Umständen verboten, wenn das Leben der Mutter nicht akut gefährdet ist, selbst nach einer Vergewaltigung oder Inzest. In den anderen Bundesstaaten ist eine Abtreibung unter diesen Umständen noch legal.

Konservative Kräfte der Republikaner sind generell gegen Abtreibungen. Da viele Demokraten allerdings für die Legalität von Schwangerschaftsabbrüchen kämpfen, herrscht im Senat eine permanente Unsicherheit, wie man mit dem Thema umgehen soll, bzw. wie lange die aktuelle Gesetzeslage noch andauern wird. Neulich ist die liberale Richterin des Supreme Courts Ruth Bader Ginsburg verstorben und wurde durch die konservative Richterin Amy Coney Barrett ersetzt. Die strenggläubige Katholikin ist gegen Abtreibungen, weshalb eine Verschärfung der Gesetzeslage zu erwarten ist.

In anderen Bundesstaaten sind Abtreibung zwar teilweise zugelassen, allerdings gibt es oft in dem ganzen Staat nur eine einzige Klinik für diesen Eingriff, was es vielen Frauen unmöglich macht, die Schwangerschaft zu beenden.

Ganz anders sieht es in unserem Nachbarland Frankreich aus. Hier ist eine Abtreibung auch bis zur 12. Schwangerschaftswoche gestattet, jedoch muss die Frau zuvor keinem Beratungsgespräch beiwohnen. Außerdem werden in Frankreich die Kosten von der Krankenkasse übernommen. Darüber hinaus ist es Hebammen gestattet eine medikamentöse Abtreibung durchzuführen. Jetzt fordern einige von ihnen das Recht ein auch den operativen Eingriff durchführen zu dürfen.

Aber was ist denn jetzt gerade in Polen los? In Polen sind die Möglichkeiten zur Abtreibung seit längerer Zeit ziemlich eingeschränkt, weshalb Frauen öfters ins Ausland fahren, z.B. nach Berlin um die Schwangerschaft zu beenden. Vor drei Wochen hat das Verfassungsgericht, welches von der Regierungspartei PiS gesteuert wird, entschieden, dass Abtreibungen verfassungswidrig sind, außer das Leben der Frau befindet sich in großer Gefahr. Dies bedeutet, dass Abtreibungen auch dann untersagt sind, wenn bei dem Kind beträchtliche Fehlbildungen vorliegen. Die Regierung hat darauf gehofft, dass dieser Entscheid in dem ganzen Medienrummel um das Corona-Virus untergehen würde, allerdings war dies nicht der Fall. Seit dem Beschluss streiken viele polnische Bürgerinnen aber auch Bürger. Die Großstädte sind natürlich die Zentren der Demonstrationen, jedoch weiten sich die Streike über das ganze Land aus: Selbst in kleinen Gemeinden werden Gottesdienste von Demonstranten gestürmt und Bauern demonstrieren mit Traktoren etc. Der Kirche wird Lobbyarbeit in Richtung des Verbotes vorgeworfen, weshalb sie sich gerade unter großer Kritik befindet. An Kirchen werden Slogans wie „Beschäftigt euch mit dem Körper Christi – Finger weg von den Frauen!“ geschmiert. Obwohl rund 73% der polnischen Bevölkerung den Entscheid als falsch beurteilt, lenkt die Regierung bisher nicht ein, sondern setzt auf den Einsatz von Polizei und Militärpolizei um die Proteste niederzuschlagen.

Abtreibungsgegner

„Der Mutterleib ist der gefährlichste Ort auf der ganzen Welt. Nirgendwo sonst kommen so viele Menschen ums Leben.“

Diese Aussage folgte auf die Statistik, dass jährlich mehr als 50 Millionen Kinder abgetrieben, also „ermordet“ werden. Rund die Hälfte wird unter medizinisch unsicheren Umständen durchgeführt. 75% der Abtreibungen in Afrika, Asien und Lateinamerika sind als nicht sicher eingestuft.

Vor allem religiöse Menschen hegen oft eine große Abneigung gegenüber Abtreibung. Beispielsweise Christen argumentieren hierbei oft mit dem fünften Gebot: „Du sollst nicht töten.“

„Manchmal spricht man über die Abtreibung, als ob keine Opfer da wären oder als ob nur die Frauen die Opfer einer verneinten Abtreibung werden könnten. Aber es gibt immer ein Kind. Dieses Leben wird im Falle einer Abtreibung aufgeopfert.“

  Rocco Buttiglione

Es ist äußerst schwierig festzustellen ab welchem Zeitpunkt von Mord gesprochen werden kann. Ist Verhütung schon Mord? Oder die Pille danach? Oder wird der Embryo erst als Mensch anerkannt, wenn er den Mutterleib verlässt? Jeder scheint auf diese Fragen eine eigene Antwort zu haben.

Leider argumentieren Abtreibungsgegner nicht immer sachlich. Des Öfteren werden von extremen Gegnern in Internet Falschmeldungen veröffentlicht um Frauen von ihrem Vorhaben abzubringen.

Ein weiterer, vielleicht nicht so offensichtlicher Aspekt ist die Rolle des Vaters. Die Entscheidung, ob das Kind geboren wird obliegt allein der Frau. Natürlich handelt es sich um den Körper eben dieser Frau, in welchem das Kind heranwächst, jedoch wird dem Mann jegliche Entscheidungsfreiheit genommen. Es ist immerhin auch sein Kind. Sobald das Kind den Mutterleib verlässt, hat der Vater allerdings ein eben so großes Mitbestimmungsrecht, wie die Frau. Er trägt mit dem Sorgerecht eine große Verantwortung für das Kind und ist dazu verpflichtet das Kind auch finanziell zu unterstützen. Ein Kind zu bekommen ist sowohl für Frauen als auch für Männer etwas Lebensveränderndes. Einzig der Frau wird allerdings mittels der Abtreibung die Möglichkeit geboten zu entscheiden, ob sie das Kind möchte oder nicht, während der Mann mit der Entscheidung der Frau und deren Konsequenzen leben muss. Was ist in dem Fall, dass die Frau das Kind nicht möchte der Mann aber schon? Natürlich sollte keine Frau zu einer Schwangerschaft gezwungen werden, aber der Mann verliert dadurch auch sein Kind.

Abtreibungsbefürworter

Ein wichtiger Punkt, welcher für die Abtreibung spricht, sind Krankheiten oder Fehlbildungen des Kindes, welches es lebensunfähig machen oder nur ein Leben unter schlimmen Zuständen und Schmerzen ermöglichen könnten. Hier ist die Frage, ob die Schwangerschaft nicht lieber frühzeitig beendet werden sollte um dem Kind und den Angehörigen Schmerz, Leid und Trauer zu ersparen. Mittlerweile gibt es die Möglichkeit Tests vor der Geburt durchzuführen, welche Aufschluss über den Gesundheitszustands des Kindes liefern (über dieses Thema habe ich einen eigenen Beitrag verfasst: https://ethikblogs.de/?p=5043).

Außerdem hat die Geschichte gezeigt, dass Frauen oft bereit sind einige Risiken einzugehen, wenn sie sich entschieden haben ein Kind nicht zu wollen. Ob mit Schlägen auf den Bauch, mit Hilfsmitteln wie Stöcken, Ziegenhörnern, dem berühmten Kleiderbügel, der Einnahme von giftigen Substanzen oder schließlich mit Selbstmord: Eine Schwangerschaft ist auch ohne Zutun eines Arztes endlich. Ich denke jedem ist klar, dass eine derartige Abtreibung rein gar nichts mit gynäkologischem Wissen, Hygiene oder Sicherheit zu tun hat. Jedes Jahr sterben rund 47 000 Frauen an den Folgen einer Abtreibung. Studien belegen außerdem, dass es einen Zusammenhang zwischen restriktiven Gesetzen und der Sterbensrate von jungen Frauen gibt. Das heißt, eine einschränkende Gesetzeslage verhindert nicht die Schwangerschaftsabbrüche, sondern zwingt die Frauen die Abtreibungen unter laienhaften Zuständen durchzuführen und sich damit in Lebensgefahr zu bringen.

Einige Frauen beklagen sich über das Image von Abtreibungen. Die Beratungsgespräche seien manipulativ und wären nur dafür gedacht, die Frau von ihrem Vorhaben abzubringen. Außerdem ist es für manche unverständlich, wieso über das Thema nicht offen gesprochen wird und Frauen welche abgetrieben haben, dies verheimlichen wollen.

Eigene Meinung

Wie kann ein Staat richtig entscheiden? Ich finde dies sehr schwierig und bin froh, dass ich diese Entscheidung nicht für eine ganze Nation treffen muss. Nehmen wir mal einen Fall als Beispiel: In Nicaragua wurde eine Neunjährige vergewaltigt und wurde daraufhin schwanger. Der Staat zwang sie das Kind zu gebären. Dies scheint unverantwortlich. Wenn die Situation allerdings anders herum gewesen wäre, also wenn ein Gesetz, bzw. die Entscheidung ihrer Erziehungsberechtigten sie dazu gezwungen hätten gegen ihren Willen die Schwangerschaft abzubrechen, wäre dies dann besser gewesen? Ich bezweifle es.

Die Meinung, dass das Image der Abtreibung aufgebessert werden müsste, kann ich nicht unterstützen. Ich finde es außerdem legitim, dass die Beratungsgespräche darauf ausgerichtet sind die Schwangere, wenn kein driftiger Grund vorliegt, zu überzeugen, von ihrem Vorhaben abzulassen. Eine Abtreibung sollte meiner Meinung nach auch nicht in der Gesellschaft als etwas normales und alltägliches angesehen werden, da es immerhin die Entscheidung ist einem Menschen seiner Zukunft zu berauben. Ich finde es unverantwortlich, dass tatsächlich manche Frauen sich weigern zu verhüten, trotzdem ein reges Sexleben führen und dann einfach ab und zu abtreiben. Dafür sollte eine Abtreibung nicht genutzt werden! Natürlich sollte eine Frau für diese Entscheidung nicht geächtet werden, trotzdem finde ich es oftmals nicht gut. Trotzdem muss die schlussendliche Entscheidung der Frau respektiert werden. (Ich beziehe mich hier nur auf Fälle, in welchen keine Ausnahmen wie eine potentielle Gefährdung, ein extrem junges oder altes Alter der Mutter oder andere unschönen Umstände wie eine Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung oder grausame Lebensumstände vorliegen). Wichtig ist in meinen Augen ein sachlicher Umgang mit Informationen. Ärzte müssen auch über dieses Thema bestens aufgeklärt sein und Frauen muss der Zugang zu den Informationen möglich sein. Wenn man vielleicht das Adoptionssystem aufbessern würde, würden sich mehr Frauen gegen eine Abtreibung entscheiden. Allerdings bringen Ignoranz und Lügen in dieser Angelegenheit rein gar nichts. Den Frauen muss ein offenes Ohr geboten werden, so können Probleme im Leben der Frau, welche sie zu dieser Entscheidung drängen eventuell gelöst werden.

Was haltet ihr von dem Thema? Seht ihr einen Schwangerschaftsabbruch als Entscheidung, welche jede Frau für sich selber treffen kann oder eher als absolutes Vergehen? Wie sollte die Gesetzeslage eurer Meinung sein: Liberal, moderat oder doch restriktiv?

Quellen