Placebo und Nocebo – Die Macht unserer Psyche in der Medizin

Die meisten werden schon einmal was von dem sogenannten Placebo-Effekt gehört haben. Im Alltag wird er oft eher negativ und abschätzig verwendet. Die Wirkung wird meist als reine Einbildung und die Person, bei der es wirkt als naiv bezeichnet. Es steckt jedoch viel mehr hinter dem Placebo-Effekt, als man denkt. In der Medizin wird er immer populärer und er dient in den meisten Studien als Kontrollergebnis für das Medikament. Er hat also bereits jetzt schon einen großen Nutzen. Es steckt jedoch noch viel Potential dahinter, welches ausgeschöpft werden kann.

Der Placebo-Effekt

Als Placebo-Effekt wird in der Medizin das Auftreten einer therapeutischen Wirkung, durch Wirkstofffreie Tabletten, bezeichnet. Diese Wirkstofffreien Tabletten nennt man Placebos. Der Effekt kann außerdem durch eine sogenannte Scheinbehandlung auftreten. Die behandelten Patient*innen wissen allerdings nicht, dass sie keine echten Arzneimittel zu sich nehmen. Es tritt also eine Wirkung auf, ohne dass es einen Wirkstoff gibt. Diese Wirkung ist jedoch keine Einbildung, sondern basiert auf körpereigenen Mechanismen. Besonders gut ist der Placebo-Effekt in der Schmerztherapie erforscht. Hierbei lässt sich beobachten, dass die Placebos im Gehirn genau die gleichen Botenstoffe aktivieren, die auch durch echte Schmerzmittel ausgeschüttet werden. Es werden durch Placebos körpereigene Endogene Morphine, kurz Endorphine aktiviert, die Schmerzhemmend wirken. Somit können Placebos bei der Behandlung helfen und theoretisch in einigen Fällen die Arzneimittel ersetzen.

Die Wirkung von Placebos wird durch einige Faktoren begünstigt. So kann ein Medikament zum Beispiel besser wirken, wenn es von einem Arzt*in in einem weißen Kittel verschrieben wird. Das liegt daran, dass der Mensch dadurch viel mehr Vertrauen in das Medikament hat und es somit eher zu einem zusätzlichen Placebo-Effekt neben der Wirkung des Medikamentes kommt, der die Gesamtwirkung verstärkt.

Somit ist es möglich, einem Patient*in zu helfen, der Beispielsweise unter Kopfschmerzen leidet, ohne ihm ein gängiges Mittel wie Ibuprofen zu verabreichen. Das wäre sehr hilfreich, da eine zu häufige Einnahme von Schmerzmitteln im Falle von Ibuprofen zu stark erhöhtem Risiko für Magen- und Darmblutungen oder einen Herzinfarkt, führen kann. Diese Risiken könnte man also durch die Einnahme von Placebos umgehen und die Schmerzen würden trotzdem gelindert werden. Schmerzmediziner*innen fordern schon lange, dass Schmerzmittel nicht mehr frei verkauft werden sollen, sondern nur von Ärzt*innen verschrieben werden dürfen. Außerdem sollten sie nur bei akuten Schmerzen verwendet werden und nicht über eine längere Zeit, um oben genannte Risiken zu vermeiden.

Nutzung des Placebo-Effekts

Der Mensch hat unterschiedliche Arten von Schmerzen. Es gibt zum einen akute Schmerzen, die Warnsignale des Körpers darstellen, um uns auf eine Verletzung, Überlastung oder Krankheit aufmerksam zu machen. Diese Schmerzen lassen sich gut durch herkömmliche Schmerzmittel behandeln. Es gibt allerdings auch chronische Schmerzen, bei denen die Psyche eine große Rolle spielt. Diese können beispielsweise auch durch Stress verschlimmert werden. Bei dieser Art von Schmerzen helfen Medikamente kaum, da es keine wirklich behandelbare Wunde oder ähnliches gibt. Bei derartigen Schmerzen kann der Placebo-Effekt eine große Hilfe darstellen. Diese wurde anhand von Patient*innen, die unter chronischen Rückenschmerzen litten, in einer Studie untersucht. In dieser Studie nahmen die Hälfte der Patient*innen drei Wochen lang Placebos ein, die andere Hälfte bekam keinerlei Medikamente und diente als Vergleichs-Gruppe. Die Placebo-Gruppe wurde, anders als in den meisten Studien, darüber aufgeklärt, dass es sich nicht um echte Medikamente handelt. Trotz dessen zeigten die Placebos bei einigen Patient*innen Wirkung. Diese berichteten über eine signifikante Linderung der Schmerzen. Auf die Beweglichkeit der Teilnehmer hatten sie jedoch keinen Einfluss und so unterschied sich die Placebo-Gruppe in diesem Punkt nicht von der Vergleichs-Gruppe. Das Placebo veränderte also nichts im Rücken, sondern beeinflusste allein die Psyche.

Diese Studie bewies die Wirksamkeit von Placebos ohne, dass eine Täuschung der Patient*innen nötig war. Außerdem werden erneut die Schmerzlindernde Wirkungsweise der Placebos bewiesen. Somit lassen sich Placebos besonders bei chronischen Schmerzen sehr gut anstelle von Medikamenten einsetzen.

Man könnte Placebos also in sehr vielen Fällen anstelle von Medikamenten zur Schmerzbekämpfung einsetzen. Placebos wirken jedoch am besten, wenn der Patient*in nicht darüber informiert wird, dass es sich um ein Placebo handelt. Somit steht man vor einem ethischen Problem, da man einem Patienten belügen müsste, um die bestmögliche Wirkung zu erzielen.

Der Nocebo-Effekt

Der Placebo-Effekt hat jedoch nicht nur positive Seiten. Der Nocebo-Effekt (nocere = schaden), beschreibt die negativen Folgen einer Scheinbehandlung. Hierbei ist die Bedingung das Wissen über mögliche schädliche Auswirkungen einer Therapie, der man sich unterziehen glaubt. Er kann allerdings auch bei normalen Behandlungen auftreten, wenn man beispielsweise über mögliche Nebenwirkungen aufgeklärt wird und diese deswegen wahrscheinlicher auftreten. Das wurde in einigen Studien nachgewiesen, in denen man die Teilnehmer in unterschiedliche Gruppen einteilte und nur eine Gruppe über die möglichen Nebenwirkungen aufklärte. Diese Gruppe zeigte deutlich den höheren Anteil von Personen, bei denen Nebenwirkungen auftraten. Die Gruppen, die nicht aufgeklärt wurden, zeigten hingegen einen viel geringeren Anteil von Personen mit Nebenwirkungen.

Die Nocebo-Forschung ist im Vergleich zur Forschung um den Placebo-Effekt noch relativ jung, allerdings hat sich dieses klinische Phänomen auch schon etabliert und es werden weiterhin Studien dazu durchgeführt, um mehr über die Entstehung der Reaktionen herauszufinden. Es ist jedoch bei einigen Symptomen wie z.B. Müdigkeit schwierig, sie allein dem Nocebo-Effekt zuzusprechen, da auch viele andere Gründe in Frage kommen würden.

Der Nocebo-Effekt wird durch viele Faktoren begünstigt. Ängstliche Patienten neigen so eher zur Entwicklung von Nocebo-Symptomen, außerdem sind auch die Erwartungshaltung durch beispielsweise Medienberichte entscheidend. Er tritt also häufiger bei voreingenommenen Menschen auf, die Angst vor eben genau diesen Nebenwirkungen haben.

Das Risiko, Nebenwirkungen durch den Nocebo-Effekt zu bekommen, ließe sich durch das Verschweigen von möglichen Nebenwirkungen stark minimieren, da somit keine Angst vor ihnen entsteht, wodurch das Auftreten keiner Nebenwirkung begünstigt wird. Hierbei steht man jedoch vor einem ethischen Konflikt, da es gesetzlich verboten ist dem Patienten Nebenwirkungen im Arztgespräch oder auf dem Beipackzettel zu verschweigen, da man den Patienten vollständig über alle Risiken der Behandlung aufklären muss. Zudem wies Prof. Dr. Harald G. Schweim darauf hin, dass die wesentliche Bedeutung des Beipackzettels darin besteht, durch die Erwähnung unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW) möglichst viele Haftungsgründe für die Hersteller auszuschließen.

Vermeidung des Nocebo-Effekts

Um unnötiges Auftreten des Nocebo-Effekts zu umgehen, sollten laut Prof. Dr. med. Wolf-Dieter Ludwig die Packungsbeilagen verbessert werden. Er schlug vor, sie um eine „Drug Facts Box“ zu erweitern, in der die wichtigsten Informationen zu Wirkungen und Nebenwirkungen für Patienten verständlich und evidenzbasiert dargestellt werden. Hierbei soll sich die „Drug Facts Box“ auf die wesentlichen Aspekte beschränken und keine unnötigen, überspitzen Informationen der herkömmlichen Packungsbeilagen enthalten.

Man könnte zudem die Patient*innen nur auf Wunsch über Nebenwirkungen aufklären und sie über das mögliche Auftreten des Nocebo-Effekts informieren. Somit ließe sich das Auftreten vermeiden und somit das Risiko vermindern, das Nebenwirkungen auftreten. Vor allem darf aber auch kein überspitztes verbreiten von Nebenwirkungen über beispielsweise die Medien stattfinden, wie es aktuell bei der Corona Impfung der Fall ist. Das führt zu Fehlinformationen und Angst vor der Impfung. Man sollte diese Dinge Sachlich und mithilfe von Statistiken betrachten, wenn man sich ein Bild darüber machen will, so wird man nicht in Panik geraten, da man alle Zahlen kennt und sich über das Risiko bewusst ist.

Ethischer Konflikt

Der Placebo-Effekt kann in der Medizin einen großen Nutzen erfüllen. Das große Problem ist allerdings die rechtliche Pflicht, die Ärzt*innen haben, die Patient*innen darüber aufzuklären, was er ihm verabreicht. Somit kann die Wirkung des Placebo-Effektes nicht vollständig genutzt werden. Es ist allerdings auch keine Lösung dieses Gesetz aufzuheben, da es sehr wichtig ist eine gewisse Transparenz gegenüber den Patient*innen zu haben. als Patient*in möchte man natürlich darüber Bescheid wissen, was einem verabreicht wird. Und das sowohl bei einem Medikament als auch bei einem Placebo. Deshalb ist es schwierig einen eindeutigen Entschluss zu finden, da es ohne das Wissen der Patient*innen rechtlich, als auch moralisch falsch wäre.

Allerdings wurde bei der Behandlung von chronischen Schmerzen in der bereits genannten Studie, nachgewiesen, dass Placebos auch mit Wissen der Patient*innen helfen. Somit ließe sich der Placebo-Effekt auch in einigen Fällen mit dem Wissen der Patient*innen und somit ohne rechtliche Probleme nutzen.

Eine weiter Möglichkeit die Wirkung von Placebos zu nutzen wäre es, bei Patient*innen, die sehr viel Medikamente über eine längere Zeit einnehmen müssen, unter die beispielsweise täglich zu nehmenden Tabletten, einen Teil Placebos zu mischen. Darüber könnte man die Patient*innen aufklären und somit gäbe es kein gesetzliches Problem. Allerdings wissen die Patient*innen nicht wann sie ein Medikament und wann sie ein Placebo einnehmen. Somit würde der Placebo-Effekt wirken und man könnte sich die Einnahme von Medikamenten sparen, die auf lange Sicht in großer Menge Gesundheitsschädlich wirken können.

Bei dem Nocebo-Effekt gibt es ein ähnliches Problem. Es wäre besser für die Patient*innen nicht über die möglichen Nebenwirkungen Bescheid zu wissen, damit es eben nicht zu dem Nocebo-Effekt kommt. Allerdings sind Ärzt*innen gesetzlich dazu verpflichtet auf diese Nebenwirkungen hinzuweisen. Zudem wäre es auch hier unmoralisch den Patient*innen mögliche Nebenwirkungen zu verschweigen.

Wie bereits genannt wäre hier eine sehr sachliche, auf Statistiken basierende Informierung am besten, damit die Patient*innen kein falsches Bild der UAWs bekommen und somit auch nicht in Panik geraten. Außerdem ist die Informierung über Medien und ähnliches nicht hilfreich, da dort oft übertrieben wird und man so Fehlinformationen bekommt, die zu einem falschen Bild der UAWs führen.

Fazit

Insgesamt kann der Placebo-Effekt in Zukunft theoretisch sehr gut als Alternative zu einigen Medikamenten verwendet werden. Das gilt jedoch wegen der zu gebenden Transparenz nur in bestimmten Krankheitsfällen und nicht bei jeder Art von Schmerzen. Trotzdem können Placebos einen Teil der Medizin stark verbessern und weiterentwickeln. Allerdings werden bereits beispielsweise Vitaminpillen verwendet, die ebenso ein Placebo-Wirkung entfalten können. Hierbei wird den Patient*innen nichts verschwiegen, er weiß nur nicht, dass diese Pille keine direkte Wirkung auf sein Problem hat, also nicht auf seine Krankheit zugschnitten ist. Hier ist auch die Frage, ob das Moralisch in Ordnung ist. Allgemein finde ich, dass es bei Placebos nicht unbedingt falsch sein muss, solang es sich um eine Krankheit handelt, die nicht lebensbedrohlich oder anders gefährlich ist. Da die Placebos dem Körper auch nicht schaden können, könnte man sie bei der entsprechenden Krankheit als Erstbehandlung in Betracht ziehen. Wenn es dann nicht hilft, kann man auf ein Medikament umsteigen. Bei chronischen Schmerzen gibt es keinen Grund es nicht zuerst mit Placebos zu versuchen, da es im schlechtesten Fall nicht hilft und im besten Fall andere Schmerzmittel überflüssig macht, woran die Gesundheit profitiert.

Ich sehe in Placebos eine Chance für den menschlichen Körper seine Probleme selbst, ohne ein Medikament zu lösen. Dadurch lernt der Körper auch sich selbst zu helfen, was einem bei späteren Schmerzen zugute kommen kann.

  • Was haltet ihr vom Placebo-Effekt?
  • Würdet ihr eine Behandlung mit Placebos in Betracht ziehen?
  • Wie wichtig ist euch die Aufklärung über mögliche Nebenwirkungen?

Quellen

  • https://www.netdoktor.de/therapien/placeboeffekt/ , 29.12.21
  • https://www.aerzteblatt.de/archiv/147589/Nocebo-Die-dunkle-Seite-der-menschlichen-Einbildungskraft , 30.12.21
  • https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/placebo-effekt-sichtbar-gemacht-2847.php , 30.12.21
  • https://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/riskante-schmerztabletten-schmerzmediziner-ibuprofen-ist-gefaehrlicher-als-morphium_id_7622392.html , 30.12.21
  • https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Chronische-Rueckenschmerzen-Placebos-koennen-helfen,placebo290.html#:~:text=Bei%20der%20Behandlung%20chronischer%20Schmerzen,wenn%20die%20Patienten%20eingeweiht%20sind. , 30.12.21
  • https://www.t-online.de/gesundheit/id_44723260/arzneimittel-jeder-zweite-arzt-verordnet-placebos-.html , 31.12.21

2 Kommentare

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Hallo bangsye,
Ich habe es so verstanden, dass der Placebo Effekt die Selbstheilungskräfte des Körpers anregt. Rund ein Drittel der Testpersonen verspüren eine Wirksamkeit durch Placebos bei der Schmerztherapie. Der Grund dafür ist, dass nicht alle Menschen gleich stark dafür empfänglich sind. Um dem negativ besetzten Image entgegenzuwirken ist anzumerken, dass die Persönlichkeit dabei eine wichtige Rolle spielt. Empfänglich für Placebos sind nicht nur die Schwachen und beeinflussbaren oder nachgiebige Personen, sondern sie sind auch charakterstark, direkt und hilfsbereit.
Warum sollte man dann nicht den Placebo Effekt nutzen um auf eventuell schädliche Medikamente zu verzichten. Nicht nur die Persönlichkeit, sondern auch die Gene entscheiden darüber, ob Menschen dafür anfällig sind. Das heißt, optimistische, positive Einstellungen der Person und auch positive Erfahrungen mit Medikamenten, sowie genetische Veranlagung wirken sich günstig auf die Selbstheilungskräfte aus.
Mit diesem Wissen würde ich eine Behandlung mit Placebos in Betracht ziehen. Allgemeine Vorrausetzungen bei der Behandlung mit Placebos ist auch noch, dass es dem Patienten bei dem Arzt gut geht, er keine Angst und Stress hat und ein gutes Vertrauensverhältnis aufgebaut wurde. Ich denke, wenn eine umsichtige Behandlung mit gegenseitigem Vertrauen stattfindet, kann man den Placebo Effekt positiv nutzen und auch den Nocebo Effekt verhindern.
Die Frage, ob es moralisch vertretbar ist, mit Placebos zu behandeln ist schwierig zu beantworten. Bei nicht lebensdrohenden Erkrankungen oder bei psychosomatischen Erkrankungen kann ich mir gut eine Behandlung mit Placebos vorstellen. Ist man sich bewusst, dass man fähig ist die Selbstheilungskräfte des Körpers zu aktivieren können, kann man auch auf andere Maßnahmen zurückgreifen wie Sport oder Ablenkungen, die sich positiv auf den Körper auswirken. Das heißt, mit dem Wissen, dass ich meinen Körper positiv beeinflussen kann, kann ich auch etwas finden, dass sich positiv auf meine Schmerzen oder auf meinen Körper auswirkt.

Hallo bangsye,

ich finde auch, dass der Placebo-Effekt helfen könnte, um die Leute zu trainieren , sich selbst besser heilen zu können. Dadurch könnte man nämlich zum Beispiel bei leichten Krankheiten wie Erkältungen durchaus die Leute davon abhalen sich an typische Erkältungs-Medikamente zu gewöhnen, welche immer einen gewissen Anteil an Nebenwirkungen mit sich bringen. Dadurch könnte man auch mehr in eine Vernunftorientierte-Medizin verweisen, da sich viele Menschen denken, sie müssen immer einsatzfähig sein. Dabei sollte einem die Firma mal für ein paar Tage scheißegal sein, wenn man krank ist und sich einfach mal Zuhause etwas Ruhe gönnen.

Grüße Jotaro

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