Ist es legitim Kinder anzulügen?

„Manchmal ist eine Lüge das Beste.“ ist ein Zitat von Tracy Chapman. Den direkten Gegensatz dazu bilden die Bibel und Emanuel Kant, bei denen das moralische Gebot, nicht zu lügen, absolut ist, das also unter keinen Umständen gebrochen werden darf. 

Viele Menschen, wie unter anderem auch Tracy Chapman leben mit der Einstellung: „kleine Lügen (weiße Lügen) tun nicht weh.“. Doch gibt es tatsächlich legitime Gründe den eigenen Kindern Lügen zu erzählen? Als Hauptgrund wird oft der Schutz der Kinder angeführt, sowie der Grund, dass die wahren Informationen beunruhigend, unverständlich oder nicht nützlich für das Kind seien. Andererseits wird Kindern immer wieder erzählt, dass lügen nicht in Ordnung sei. Wie kann das zusammenpassen?

Wenn ein kleines Kind zum Beispiel fragt, ob den Eltern das gemalte Bild gefällt und sie es in Wirklichkeit nicht schön finden, könnten sie sich dazu entscheiden zu lügen. So würden sie ihr Kind schützen, denn durch das Sagen der  Wahrheit wäre das Kind im schlimmsten Fall traurig und enttäuscht und würde die Freude am Malen verlieren. Dieser Ausgang wäre schlimmer als eine „kleine Lüge“, die in diesem Fall womöglich weniger „wehtun“ würde als die Wahrheit.

Bevor man jedoch ohne weiteres beginnt zu lügen, weil es manchmal, zumindest kurzfristig, leichter scheint als ehrlich zu sein, sollte man sich überlegen, ob man die Wahrheit so ausdrücken kann, dass sie keinen Schaden anrichtet. Man kann die Wahrheit häufig so formulieren oder etwas umschreiben, dass sie weniger verletzend ist und damit sein Kind schützen.

Man sollte sich weiter überlegen: Wenn das Kind später die Wahrheit erfährt und diese akzeptieren kann, ohne Schaden zu nehmen, kann es dann auch akzeptieren, dass die Lüge oder das Zurückhalten der Informationen in seinem besten Interesse war?

Wenn das Kind aus dem Beispiel später eine Karriere als Künstler beginnen würde, würde es  scheitern, weil es überhaupt nicht malen kann, obwohl immer das Gegenteil behauptet wurde. Das würde mit Sicherheit mehr Schaden anrichten, als wenn man dem Kind früher die Wahrheit gesagt hätte, es für kurze Zeit enttäuscht gewesen wäre und dann aber einen Beruf erlernt hätte, der tatsächlich den Fähigkeiten des Kindes entsprochen hätte.

Das Beispiel ist sehr extrem und nicht wirklich realistisch. Man erkennt aber, dass Ehrlichkeit allgemein wichtig ist, damit auf längere Sicht kein Vertrauensbruch entsteht. Fehlendes Vertrauen macht verlässliche Beziehung und somit das Zusammenleben unmöglich.

Man sollte also nicht regelmäßig lügen, sondern nur bei wirklich wichtigen Ausnahmen und wenn das Kind, falls es später die Wahrheit erfährt, nicht mehr Schaden nimmt.

Gesetzlich ist im BGB (Bürgerlichen Gesetzbuch) festgehalten, dass Eltern ihren Schutzbefohlenen gegenüber in der Pflicht stehen, sie zu pflegen, zu erziehen und zu beaufsichtigen. Dazu gehört auch die Pflicht, stets für das Kindeswohl zu sorgen. Der Begriff bezieht sich auf die körperliche, psychische und seelische Gesundheit des Kindes. Wenn eine Lüge, wie oben beschrieben, also tatsächlich das Wohl des Kindes schützen würde, wäre sie legitim.

In der Regel sind es auch die Eltern, denen das Wohl ihres Kindes am stärksten am Herzen liegt. Aus diesem Grund schreibt unsere Verfassung das Recht auf Erziehung den Eltern zu. So liegen die Pflege und Erziehung der Kinder ganz persönlich bei den jeweiligen Eltern, die das natürliche Recht und ebenfalls die Pflicht haben für ihr Kind zu sorgen. Wie und mit welchen Werten die Eltern ihr Kind erziehen möchten , liegt also bei ihnen und man sollte sich meiner Meinung nach auch nicht in die Kindererziehung anderer einmischen, sofern das Wohl des Kindes nicht gefährdet ist.

Wenn ich mich in ein Elternteil hineinversetzen müsste, würde ich situationsabhängig entscheiden, ob es auf längere Sicht besser wäre, zu lügen oder doch lieber bei der Wahrheit zu bleiben, auch wenn es dadurch zu einem womöglich unangenehmeren oder schwierigeren Gespräch kommt. Natürlich kommt es dabei auch stark auf das Alter des Kindes an und darauf ob das Kind schon in der Lage ist zu verstehen, was man ihm sagt. 

Grundsätzlich finde ich „Notlügen“ oder auch „weiße Lügen“ also nicht unbedingt verwerflich, da die Wahrheit alleine meiner Meinung nach keinen Wert hat. Sie dient nur Zielen, wie Informationen weiterzugeben und das Leben durch vertrauens- und respektvolle Kommunikation und damit vertrauens- und respektvolle Beziehungen besser zu machen. Wenn diese Ziele durch das Sagen der Wahrheit jedoch nicht erreicht werden, sondern dem Kind geschadet wird, hat die Wahrheit nicht mehr Wert als eine Lüge. Die Verpflichtungen der Eltern keinen Schaden anzurichten und die körperliche und geistige Gesundheit zu fördern ist in meinen Augen mindestens so verbindlich, wie die Verpflichtung die Wahrheit zu sagen.

Man sollte allgemein und gerade in Bezug auf Kindererziehung natürlich trotzdem möglichst  immer die Wahrheit sagen, da sie die Basis unserer Kommunikation ist. Auch Kinder sollten das lernen, um ungestört kommunizieren zu können und vertrauensvolle Beziehungen aufbauen zu können. Als Elternteil, und damit häufig auch als Vorbild des Kindes, sollte man so zeigen wie man sich „richtig“ verhält.

Quellen: 

3 Kommentare

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Hallo helsinki,
ich würde dir grundsätzlich zustimmen, dass man situationsabhängig zu entscheiden hat, ob es legitim ist, ein Kind anzulügen.
Ich habe aber in meinem Bekanntenkreis ein kleines Kind, das bereits mit 5 Jahren ohne zu zögern lügt, weil es beispielsweise bei den Geschwistern gesehen hat, das man sich so vor der Hausarbeit drücken kann. Deswegen frage ich mich in letzter Zeit noch häufiger, ob ein paar Lügen es Wert sind, das Kinder sie von klein auf als etwas nicht schlimmes, bzw. als etwas natürliches zwischenmenschliches wahrnehmen.
Schlussendlich bin ich der Meinung, dass man Kindern so gut es geht die Wahrheit erzählen sollte, auch wenn sie vllt. noch nichts damit anfangen können, denn dann könnte man es dem Kind versuchen zu erklären.
Natürlich verstehe ich aber auch, wenn Eltern mal nicht die Geduld dafür haben, und deshalb etwas mit einer kleinen Lüge abkürzen.

Hallo helsiki,
du hast in deinem Beitrag die vertrauens- und respektvolle Beziehung angesprochen, die eine wichtige Voraussetzung für ein harmonisches Miteinander darstellt. Ich denke, wenn man das Ziel hat, eine vertrauens- und respektvolle Beziehung zu führen gehört es auf jeden Fall dazu sich gegenseitig die Wahrheit zu sagen, um das Vertrauen der anderen nicht zu missbrauchen und um ihm nicht die Wahrheit vorzuenthalten, was auch etwas mit Respekt zu tun hat. Wie du aber auch schon gesagt hast, ist es in manchen Situationen auch sinnvoller, wenn man seinem Gegenüber mit einer Notlüge begegnet um diesen nicht zu verletzen. Meiner Meinung nach sollte man, vor allem gegenüber Kindern, versuchen, die Wahrheit zu sagen, indem man sie eventuell anders ausdrückt als normalerweise. Wenn man jetzt dein Beispiel mit dem gemalten Bild mochmal aufgreift, kann man als Elternteil versuchen, dem Kind eher Verbesserungsvorschläge mit auf den Weg zu geben, nachdem man anfangs auf die positives Aspekte, bzw. die gelungenen Elemente des Bildes eingeht. Somit wäre die Wahrheit ausgesprochen, aber auf einem Weg, mit dem das Kind auch etwas anfangen und sich verbessern kann. Hierbei muss man natürlich auch je nach Kind und Situation abwägen, wie weit man mit der Wahrheit gehen kann und ab welchem Punke es vielleicht besser wäre, doch eine Notlüge einzusetzen. Wenn es dann schließlich doch zu einer Notlüge gekommen ist, könnte man auch versuchen, das Thema im Nachhinein erneut anzusprechen und sich dann immer weiter der Wahrheit anzunähern, wobei man auch aufpassen muss, dass es nicht so rüberkommt, als würde man seine Meinung die ganze Zeit ändern und so ein Gefühl der Unsicherheit vermittelt, was das Vertrauen auch negativ beeinflussen kann.
Alles in allem würde ich also auch sagen, dass man je nach der Person gegenüber und je nach Situation entscheiden sollte, wie man sich verhält. Wenn man sich dann aber für eine Notlüge entscheidet, sollte man sich bewusst sein, warum und auch, dass es zum Vorteil aller ist. Außerdem denke ich, dass jeder schonmal eine Notlüge verwendet hat und ich finde es auch vollkommen legitim, wenn es sich nicht häuft und man damit eben ausschließlich gute Absichten verfolgt.

Hallo helsinki,
ich finde du hast gut den Zwiespalt beschrieben, indem sich bestimmt jeder Erziehungsberechtigter einmal befand. Soll ich mein Kind anlügen um es nicht zu verletzen oder soll ich die Wahrheit sagen, weil lügen falsch ist? Ich denke aber, dass es nicht nur zwischen Eltern und Kind zu solchen unangenehmen Situationen kommen kann, sondern auch zwischen Partnern, Erwachsenen oder sogar zwischen Freunden.
Ich denke, dass Ehrlichkeit zwar weh tut, jedoch immer der bessere Weg ist, um die Beziehung zu schützen und Vertrauen aufzubauen. Dazu braucht es Mut, zum einen sich ehrlich zu äußern, zum anderen die ehrliche Meinung des anderen, zum Beispiel in Form von Kritik, aufzunehmen und zu verarbeiten.
Bei Kindern ist dies jedoch schwieriger und zudem auch, wie von dir erwähnt, situationsabhängig. Nehmen wir noch einmal dein Beispiel mit dem Malen. Könnte das Kind anstatt demotiviert dieses Hobby sein zu lassen, hingegen nicht dazu motiviert werden, sich darin zu verbessern? Ich denke, dass auch hier Kommunikation wieder entscheidend ist; wie sagt man etwas. Auch der Aspekt mit dem Alter des Kindes, den du angesprochen hast, spielt eine wichtige Rolle und sollte beachtet werden.

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