Ist es entscheidend, mit sich allein sein zu können?

„Alleine ist jeder Mensch ehrlich. Tritt jedoch ein zweiter herbei, so beginnt die Heuchelei.“ (Ralph Waldo Emerson)

Dieses Zitat von dem US-amerikanischen Philosophen und Schriftsteller Ralph Waldo Emerson (1803-1882) betont die Relevanz des Begriffes „Einsamkeit“. Studien zeigen, dass viele Menschen unter Einsamkeit leiden, wodurch in diesem Zusammenhang das Alleinsein in einen negativen Kontext gesetzt wird.

Die oben formulierte Leitfrage setzt voraus, dass ein tieferer Sinn im Alleinsein liegt. Demnach würde sich also auch etwas Postives hinter diesem Begriff verbergen.

Allerdings muss auch zwischen der „Einsamkeit“ und dem „Alleinsein“ unterschieden werden. Während das „Alleinsein“, eine vom Menschen bewusst gewählte Handlung ist und somit positiv betrachtet wird, stellt Einsamkeit etwas unschönes, negatives und erschwerendes dar. Im Folgenden beschränke ich mich also auf den Begriff des „Alleinseins“.

Ralph Waldo Emerson beantwortete die Frage ob es wichtig ist, mit sich allein sein zu können, mit einem klaren Ja. Seine Begründung lautet hierbei, dass nur durch die Einsamkeit der Mensch lernen kann, ganz bei sich selbst zu sein. Diese Argumentation scheint einleuchtend, denn wie das obige Zitat bereits aufzeigt, der Mensch ist in Anwesenheit anderer Menschen dazu geneigt, ihre Meinung zu übernehmen. Ist man jedoch alleine, so lebt man nicht mehr gemäß den Erwartungen anderer, sondern gemäß seiner eigenen Meinung. Emerson untermauert seine Sichtweise und argumentiert, dass man im Zustand des Alleinseins, Erfahrungen sowie Erkenntnisse gewinnen und diese dann auch unter Gesellschaft bewahren kann. Weiter knüpft Emerson seine Thesen an die Bedingung, dass man erst richtig alleine ist, wenn man sich nicht nur von Menschen abkapselt, sondern auch von seinem eigenen gewohnten Umfeld. Um Emersons Meinung genauer zu veranschaulichen, habe ich folgendes Beispiel aus dem Alltag gewählt.

Person A und Person B verbringen schon seit geraumer Zeit Zeit miteinander und kommen nun auf die Europawahl zu sprechen. Während Person B politisch engagiert ist, kennt Person A sich nur wenig über Politik aus. Person B nennt eine Partei und führt überzeugt aus, weshalb es gut sei, diese Partei zu wählen. Daraufhin fragt Person B Person A nach seiner Meinung, worauf Person A aus Unwissenheit und aufkommenden Druck sich der Meinung von seinem Gegenüber anschließt. Klar ist, Person A hat lediglich die Meinung von Person B übernommen. Aus diesem Beispiel geht deutlich hervor, dass es wichtig wäre, wenn Person A bereits im Zustand des Alleinseins sich eine eigene Meinung zum Thema gebildet hätte, woraus Selbstvertrauen resultieren würde. Denn durch die Abwesenheit äußerer Einflüsse wie beispielsweise andere Meinungen kann man laut Emerson erst zu seiner eigenen persönlichen Meinung kommen.

Ich persönlich kann mich der Argumentation Emersons anschließen und bin somit ebenfalls der Meinung, dass es wichtig ist, mit sich allein sein zu können. Ich denke, dass man im Zustand des Alleinseins sich neue Erfahrungen und eine eigene Meinung aneigenen kann. Im Gegensatz zu Ralph Waldo Emerson, denke ich jedoch, dass man auch in seinem gewohnten Umfeld alleine sein kann. Das Alleinsein beschreibt für mich also die Abwesenheit anderer Menschen, dies kann auch zu Hause sein. Ich denke, dass eine Balance gefunden werden muss, eine Balance zwischen dem Alleinsein und dem Beisammensein und eine Balance zwischen dem eine eigene Meinung haben und dem, seine eigene Meinung zu reflektieren.

Quellen:

https://www.ndr.de/nachrichten/info/Einsamkeitsbarometer-Viele-Menschen-leiden-unter-Einsamkeit,ndrinfo60330.html

Philosophie Magazin Nr. 02/2022, Seite 58

2 Kommentare

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Hallo Platon,
Einsamkeit und Alleinsein – zwei Begriffe, die oft verwechselt werden und daher oft im falschen Kontext verwendet werden. Daher finde ich es toll, dass du das Thema angeschnitten hast . So ist es, wie du sagst, wichtig, ab und zu mit sicher selbst allein zu sein, um Situationen einzuordnen und sich selbst reflektieren zu können. Jedoch sollte man dabei darauf achten, dass man nicht einsam wird, umso öfters man sich zurückzieht und sich eine Negativspirale entwickelt . Dabei muss man auch beachten, dass es unterschiedliche Menschen gibt. Manche brauchen große Menschenmengen, um dort ihren Akku aufzuladen. Andere wiederum brauchen genau das Gegenteil, die Ruhe und das Alleinsein, um später wieder funktionieren zu können. Wir kennen diese zwei Typen auch als extrovertiert und introvertiert. Wir neigen dazu, Menschen in diese zwei Kategorien einzuordnen und sagen oft, dass Menschen die introvertiert sind, einsam sind. Jedoch sollte man dabei genau diese Begriffe nicht verwechseln, denn introvertiert sind oft nicht einsam, sondern mögen es allein zu sein und Zeiten mit sich selbst zu verbringen. Ich finde es sehr gut, wie du das Ganze aufgebaut hast und auch Zitate von berühmten Personen gebracht hast. Es ist wichtig, diesen Unterschied zu erkennen und auch im Hinterkopf zu behalten. Ich bin ebenfalls der Ansicht, dass man alleine sein lernen muss und es eine wichtige Lektion für ein selber ist. Auch Kinder sollten schon früh lernen, alleine mit sich selbst Spielen zu können, da nicht immer immer jemand da sein wird, um sie zu bespaßen.

Hallo Traeumen,
dein letzter Satz bringt mich nun doch dazu, mal zu kommentieren 😉 Als Mutter von vier Kindern kann ich dir bestätigen, dass deine Feststellung, dass es unterschiedliche Menschentypen gibt auch schon für Kinder zutrifft. Manche Kinder brauchen die Gesellschaft von anderen, andere schöpfen Kraft aus dem Alleinsein. (Auch wenn die Toleranz für das jeweils andere je Tagesform größer oder kleiner sein kann.) Ich habe die Erfahrung gemacht, wenn ich die einen zum Alleinsein zwinge, ist es genauso anstrengend wie für die anderen, wenn ich sie ständig in Gesellschaft bringe. Um es drastisch auszudrücken: es ist quälend. Umso wichtiger ist es als Eltern sensibel damit umzugehen. Ich denke nicht, dass man als Kind alleinsein lernen kann.

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