Nennen Sie mir ein Tier.
Ich nehme an die wenigsten hatten nun einen Menschen vor ihrem geistigen Auge. Woran liegt das?
Biologisch gesehen ist der Mensch, genauer die Art des Homo Sapiens, genauso ein Tier wie Hund oder Schwein. Wir besitzen die gleichen Grundeigenschaften: wir atmen Luft, sind Mehrzeller mit gleichen Zelltypen, haben Gehirne, sehr ähnliche Organe und sind in der Lage uns eigenständig fortzupflanzen. Trotzdem liegt in den meisten Kulturen der Gedanke tief verankert, der Mensch sei besonders; gar überlegen oder höhergestellt als andere Lebewesen. Doch warum ist dies der Fall und worauf wird der Gedanke gestützt?
Diese verschiedenen argumentativen Herangehensweisen sollen im Folgenden auf ihre Schlüssigkeit beziehungsweise ihre Aussagekraft überprüft werden.
Bevor dies jedoch ermöglicht werden kann soll jedoch vorerst die Umschreibung „etwas Besonderes“ definiert werden. „Etwas Besonderes“, beziehungsweise nur das Adverb „besonders“, ist laut Duden unteranderem gleichbedeutend mit den Wörtern „individuell“ bzw. einzigartig, „auffallend“, „außergewöhnlich“ und „auserlesen“. Ob diese Umschreibungen jetzt im positiven oder negativen Sinne konnotiert werden, soll vorerst nicht von Bedeutung sein. Fest steht jedoch, dass im Allgemeinen von „etwas Besonderem“ gesprochen wird, wenn sich ein Subjekt von anderen „Vergleichssubjekten“ in bestimmten Aspekten unterscheidet. Hierzu muss man jedoch hinzufügen, dass in unserem Kontext – der Lebewesen – natürlich alle Arten sich in bestimmten Aspekten voneinander unterscheiden müssen, da sie sonst logischerweise nicht klassifiziert werden würden, beziehungsweise auch die individuellen Lebewesen innerhalb der Arten sich geringfügig z.B. durch Farbe oder Größe voneinander unterscheiden. Aus diesem Grund muss es sich zusätzlich in unserem Fall um sehr maßgebende und herausragende Unterschiede handeln, welche den Menschen im Vergleich zu den anderen Lebewesen als „besonders“ klassifizieren würden.
Was genau macht den Menschen nun aber so besonders?
Eine sehr oft verwendete Begründung stammt aus religiösem Gedankengut: Im Christentum zum Beispiel gilt der Mensch als besonders und in gewisser Weise als außerkoren, da in der Bibel geschrieben steht, der Mensch sei als Gottes Ebenbild geschaffen und er stehe daher von allen Geschöpfen „Gott am nächsten“. Auch im Islam gelten ähnliche Vorstellungen. Diese Art von Argumentation stützt sich also der Annahme, es gäbe ein höchstes Wesen also einen Schöpfer oder Gott. Dieser Gott sei logischerweise etwas Besonderes, beziehungsweise das „Besonderste“, dass es gibt und folglich ist der Mensch durch seine Ähnlichkeit gegenüber Gottes auch etwas Besonderes.
Es ist schwierig, wenn nicht gar unmöglich solch einer Argumentation zu widersprechen, da diese die These voraussetzt, dass es einen Gott gibt, und ist dies der Fall, ist die Argumentation auch absolut schlüssig. Falls ein solches Wesen jedoch nicht existieren sollte, beziehungsweise nicht in der gewünschten Art und Weise existiert, fällt das gesamte Argument zusammen, da die Grundvoraussetzung nicht mehr zutrifft. Da sich die Existenz Gottes jedoch weder eindeutig beweisen, noch widerlegen lässt, läuft der Ausgang eine Konversation in diesem Rahmen wohl immer einfach darauf hinaus, ob der Mensch nun glaubt oder nicht. Aus diesem Grund wird diese Argumentation im Folgenden auch nicht weiter behandelt.
Ein interessantes und rationales Argument, dass ebenfalls häufig in dieser Konversation an den Tag gebracht wird, ist die vergleichsweise hohe Intelligenz der Menschen, die den Menschen besonders machen soll. Auch schon Aristoteles bezeichnete den Menschen als „vernünftiges Tier“ in Gedanken daran, der entscheidende Unterschied zwischen Mensch und Tier sei die Vernunft und der Intellekt des Menschen. Diese Art der Argumentation kann durchaus sinnvoll erscheinen, wenn bedacht wird, dass die Menschenart die einzige Spezies ist, welche beispielsweise komplexe Sprachen und Wissenschaft beherrscht. Genauer betrachtet ist es vermutlich vor allem die Eigenschaft des höheren Intellekts der Menschen, welche uns erlaubte eine globale „Vormachtstellung“ im Tierreich zu erlangen und auch aufrechtzuerhalten. Vielleicht ist schon allein der Fakt, dass ich diesen Essay hier schreiben, veröffentlichen und mir zu einem komplexen Thema überhaupt Gedanken machen kann, Beweis genug, dass wir Menschen etwas Besonderes sind. Man könnte also in gewissermaßen definitiv sagen, dass auf der Erde, der Mensch vor allem durch seine Intelligenz im Vergleich zu anderen Lebewesen heraussticht, was ihn in bestimmter Hinsicht „besonders“ machen könnte. Hierzu könnte jedoch entgegnet werden, dass die Intelligenz selbst keineswegs eine Eigenschaft darstellt, welche nur der Menschenart vorenthalten ist. Lebewesen wie Elefanten, Delphine und Menschenaffen weisen ebenfalls einige Verhaltensweisen von sehr intelligentem Leben und der Fähigkeit des Problem-Lösens auf. Es war sogar schon wiederholt möglich Menschenaffen Zeichensprache in bestimmten Maßen beizubringen, wodurch es ihnen gelang ihre Bedürfnisse zu kommunizieren, ähnlich bei menschlichen Kindern. Diese Feststellung lässt einen Zweifeln, ob der Unterschied in Intellekt zwischen den Menschen und anderem intelligenten Leben wirklich so extrem ist, um dies zur entscheidenden Qualität zu machen, welche den Menschen besonders macht. Die wenigsten würden beispielsweise dem Gepard – dem schnellsten Landlebewesen – auf Grund seiner außergewöhnlichen Schnelligkeit, das gleiche Ausmaß der „Besonderheit“, wie die des Menschen zuschreiben, obwohl es in diesem Aspekt ebenfalls an der Spitze der Lebewesen steht. Eigenschaften, wie Intelligenz, Schnelligkeit oder Stärke entwickelten sich über Jahrmillionen gleichermaßen in Lebewesen: durch die natürliche Selektion, abhängig von den jeweiligen Umständen. Wer weiß, wenn es keine Menschen gäbe, dann würden in ein paar Millionen Jahren vielleicht die Schimpansen die Weltmacht an sich reißen. Es wird vermutlich immer eine mehr oder weniger dominante Spezies existieren, welche auf Grund ihrer herausragenden Eigenschaften einen evolutionären Vorteil besitzt. Wobei man trotzdem erwähnen könnte, dass die Intelligenz hier als Eigenschaft heraussticht, da sie ab einem bestimmten Maß einer Spezies ermöglicht sich selber durch Technologie und Wissenschaft weiterzuentwickeln, anstatt diese Entwicklung in die Hände der eher trägen Evolution zu geben. Vielleicht ist es also die aus der Intelligenz resultierende Selbstverwaltung und -entwicklung der Menschen, welche sie besonders macht.
Als letzten Argumentationsversuch wird noch kurz der an Aristoteles anschließende und erweiterte Gedankengang Immanuel Kants ausgeführt. Laut Kant unterscheidet sich der Mensch vom Tier durch zum einen auch die Vernunft, jedoch auch zusätzlich durch einen gewissen intrinsischen Moral-Kompass, den die Menschen im Gegensatz zu Tieren besitzen. Hierzu lässt sich erwidern, dass zum einen die Moralität, beziehungsweise die Fähigkeit zwischen richtigem und falschem Handeln zu unterscheiden, oder dieses auch als solches festzulegen, zwar vermutlich im Vergleich zu anderen Spezies sehr ausgeprägt zu sein scheint. Gleichzeitig muss aber auch festgehalten werden, dass es keine so wirklich global-einheitlichen Moralvorstellungen, wie nach Kant, unter den Menschen gibt und sich diese Werte und Gesetze von Kultur zu Kultur unterscheiden können. Beispielsweise gibt es Kulturen in denen der Tod eines Menschen nichts schlechtes darstellt, weshalb damit anders als in der westlichen Kultur gehandhabt wird. Aus diesen Gründen würde ich diesen Unterschied zwischen Mensch und Tier nicht durch eine einheitliche Moralvorstellungen definieren, sondern eher durch die Fähigkeit komplexe Emotionen, wie Liebe, Hass oder anderweitiger emotionaler Schmerz, worauf häufig erst diese verschiedenen moralischen Gesetze basieren, festlegen.
Abschließend lässt sich also festhalten, dass der Mensch durchaus einige Qualitäten besitzt, welche ihn im Vergleich zu anderen Lebewesen auszeichnet. Beispiele wären unteranderem seine hohe Intelligenz, die Fähigkeit sich eigenständig weiterzuentwickeln und die Fähigkeit komplexe Emotionen zu verspüren. Ebenfalls ist es auch möglich die Einzigartigkeit des Menschen religiös zu belegen. Diese Eigenschaften und Argumente könnten allesamt durchaus als maßgebende Unterschiede gegenüber anderer Lebewesen angesehen werden, was auch durch die extreme Dominanz des Menschen im Tierreich in globaler Hinsicht seit hunderten von Jahren belegt werden kann. Ist der Mensch nun also besonders? Diese Frage ist trotz allem schwer zu beantworten. Rein rational gesehen ist er vermutlich einzigartig genug, um ihn als solches bezeichnen zu können. Gleichzeitig war es höchstwahrscheinlich reiner evolutionärer Zufall, dass genau unsere Spezies sich in diesen Aspekten so weiterentwickelte, wodurch uns diese Einzigartigkeit vielleicht nicht zu Kopf steigen sollte:
Wenn man nur aus Zufall zu etwas Besonderem wurde, kann man sich dann noch als besonders bezeichnen?
Was meint ihr zu dem Thema?
Quellen:
https://www.duden.de/synonyme/besonders
https://www.spektrum.de/magazin/das-verhaeltnis-von-mensch-und-tier/1064603
https://arbeitskreis-kirche-und-tiere.ch/unterlagen/tier-in-der-philosophie
Neueste Kommentare