Gibt es ,,Saubere Folter“?

Wir kennen sie alle – die Folter aus dem Mittelalter. Wenn man zum ersten Mal von ihr hört, kommt sie einem grausam vor und wenn man sich noch länger mit ihr befasst, findet man die Foltermethoden umso schrecklicher. Ein Glück, dass diese Foltermethoden heutzutage nicht mehr üblich sind, oder? In Deutschland gilt ein striktes Folterverbot und auch das Androhen von Folter und Gewalt ist streng untersagt, da dies die Menschenwürde nicht respektiert. Doch was zu unserer modernen Zeit aufkommt, ist mindestens genauso schlimm: die psychische Folter, die auch mit den Euphemismen ,,Weiße Folter“ und ,,Saubere Folter“ bezeichnet wird. Bei einer psychischen Folter wird keine physische Gewalt angewandt, um den Inhaftierten zu einem Geständnis zu zwingen, sondern vielmehr wird auf den Gefangenen solch ein großer psychischer Druck ausgeübt, bis sein psychisches Gleichgewicht zerstört ist und er Informationen preisgibt, oft auch dann, wenn er unschuldig ist. Auch nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 in den USA wird unter der Bush-Regierung diese neue Technik des Verhörens entwickelt und die CIA wird im ,,Krieg gegen den Terror“ zur Verwendung dieser autorisiert. Hierbei werden die neuen Foltermethoden mit dem Namen: ,,exhanced interrogation techniques“, was so viel heißt wie erweiterte Verhörmethoden, betitelt und verschleiern die eigentliche Grausamkeit eben dieser.

Zunächst kann man sagen, dass die Übergänge zwischen physischer und psychischer Folter oft fließend sind. Speziell zur psychischen Folter gehören Foltermethoden wie Waterboarding (eine Simulation des Ertrinkens), Schlafentzug, Reizentzug wie eine Dunkelhaft oder das Aufhalten in einer ,,camera silens“, die schallisoliert ist und dem Gefolterten keine Möglichkeit zur Bewegung gibt. Darüber hinaus wird das Verharren in einer unangenehmen Position erzwungen, der Familie oder der Person selbst Gefahr angedroht, Scheinhinrichtungen werden durchgeführt, Phobien der einzelnen Person ausgenutzt  (individualisierte Folter), Schütteltraumata hervorgerufen, Unterkühlung oder Überhitzung praktiziert oder die inhaftierte Person wird entwürdigend oder entmündigend behandelt. Auch sind die Opfer einer psychischen Folter oft in einer Isolationshaft, in der sie von ihrer Umwelt abgegrenzt leben und auch unter dem Mangel an Reizen leiden, was immer noch in den USA bei Häftlingen angewandt wird, die zur Todesstrafe verurteilt sind. (Wer mehr darüber wissen möchte, kann gern das kurze Video, das ich verlinkt habe, anschauen.  Dieses fasst die verschiedenen Foltermethoden knapp zusammen. )

Doch sind diese erweiterten Verhörmethoden damit vereinbar, was wir einen moralisch guten Umgang mit unseren Mitmenschen nennen?

Oft wird ,,Rettungsfolter“ dadurch legitimiert, dass durch das Geständnis eine andere Person gerettet werden kann. Jedoch  ist der psychische Druck so stark, dass selbst eine unschuldige Person ein Geständnis abliefern könnte, was den Zweck an sich, also den Informationszweck, nicht erfüllt. Damit erreicht man, dass der Inhaftierte genau das sagt, was man von ihm will und dies entmündigt eine Person und macht sie zu einem Sündenbock für das, wofür sie nicht verantwortlich ist. Zudem ist es schwierig, eine rechtliche Grenze zu bestimmen, die solche Verhörmethoden definieren soll, weshalb das Benutzen dieser Foltermethoden in jedem einzelnen Fall ein ethisches Dilemma darstellt und dies würde nur für mehr Unklarheiten und Streitigkeiten sorgen. Dabei müsste man auch sehr aufpassen, dass die Folter nicht zu Präventivzwecken genutzt wird, wie um einen Anschlag im Voraus zu verhindern. Auch sind psychische Foltermethoden immer entwürdigend und dies stimmt nicht mit dem Erhalt der Menschenwürde überein, da es das Ziel ist, die Psyche des Gefolterten zu brechen. Hinzufügend verspüren Opfer eines solchen Verhörs solch eine existenzielle Angst durch Desorientierung und Halluzinationen, dass sie aus der Realität entfliehen. Sie verlieren den Glauben an ihre eigene Identität, erfahren eine Regression und sind somit zwingend auf andere angewiesen, was unserem menschlichen Grundbedürfnis der Selbstverwirklichung widerspricht. Auch wird das Leben des Gefolterten gezielt zerstört, sodass man ein Leben lang mit Traumata und Angstzuständen kämpfen muss, was bisher auch in vermehrten Fällen zu einem Suizid geführt hat. In dieser Hinsicht sind die ,,modernen“ Verhörmethoden umso gefährlicher, denn sie können ein Individuum dazu bringen, sich in kürzester Zeit selbst aufzugeben, was eher einem Mord ähnelt statt einem Verhör für einen guten Zweck. Im Gegensatz zu anderen, vorherigen Foltermethoden, sind die neuen auch speziell von Psychologen entwickelt, um besonders effektiv und schnell an Informationen zu kommen und sind vor Allem schwer nachweisbar, da die Folter nur die Psyche des Gefolterten angreift. Dies macht psychische Folter umso gefährlicher, denn diese findet auch verschleiert Anwendung, ohne dass man deren Ausmaße kontrollieren kann. Deswegen kann man nicht nur begrenzt Foltermethoden erlauben, denn es wird immer Personen geben, die Lücken suchen werden und die Folterpraxis wird dann umso häufiger angewendet. Zudem kann die psychische Folter als Machtsubjekt missbraucht werden, die auch die Durchführer der Folter Brutalität anwenden lässt. Aber nicht nur diese können brutalisiert werden, sondern auch die Angehörigen des Gefolterten, was nur zu mehr Gewalt führt.

Daschners Dilemma zeigt noch einmal die ethische Problematik in Bezug auf psychische Folter an einem konkreten Beispiel:  Jakob von Metzler wird am 27.9.2002 entführt und im Verlauf der Ermittlungen wird Magnus Gäfgen festgenommen. Dieser gesteht zwar die Tat, aber will den Aufenthaltsort des Opfers nicht preisgeben. Der Polizeipräsident Daschner ist einem hohen Zeitdruck ausgesetzt, denn er geht von einer unmittelbaren Bedrohung des Lebens des Jungen aus. Auch lastet auf ihm ein hoher Entscheidungsdruck, denn das Leben des Jungen steht gegen die Unversehrtheit des Festgenommenen. Aus Hoffnung auf eine Rettung des Jungen, droht Daschner Gäfgen unmittelbaren Zwang an, mit ,,Schmerzen, wie er sie noch nie erlebt hatte“. Dies führt dazu, dass Gäfgen auch gesteht, wo der Aufenthaltsort des Jungen ist, wobei dieser leider tot aufgefunden wird. Da Daschner die Menschenwürde Gäfgens verletzt hatte, indem er ihm Folter angedroht und sich dem Folterverbot widersetzt hat, was dem Prinzip des Rechtsstaates widerspricht, machte er sich strafbar. Jedoch gibt er selbst zu, dass er rechtswidrig gehandelt hat, und wird infolgedessen einem Strafverfolgungsverfahren ausgesetzt.

In diesem Fall ist die Frage, inwiefern es entschuldbar war, Gäfgen Folter anzudrohen, um das entführte Kind zu retten.

Dafür spricht zunächst, dass Daschner zu dem Schluss kommt, dass das Leben des Kindes für ihn Vorrang vor der Menschenwürde des Täters hat. Demnach wollte Daschner die schlechten Folgen minimieren, als er Gäfgen Gewalt angedroht hat. Des Weiteren  ist es nicht Daschners Intention, Macht auszuüben und den Täter schlichthin zu quälen, sondern sein Handeln hatte das Ziel, Informationen zu erlangen. Außerdem wäre möglicherweise Daschner nicht angeklagt worden, wenn man den Jungen gerettet hätte.

Was jedoch dagegen spricht, sind auch die Gründe, für die Daschner angeklagt wurde. Zum Einen haben die Beamten ab dem Zeitpunkt der Festnahme eine Fürsorgepflicht für Gäfgen, das Daschner mit der Androhung von Gewalt außer Kraft gesetzt hat. Dabei hat auch der Tatverdächtige ein Schweigerecht, weshalb man ihn nicht dazu nötigen darf, zu sprechen. Auch, wie früher angeführt, wird das Prinzip der Menschenwürde verletzt, denn man darf nicht die Würde eines Menschen gegen eine andere abwägen. Damit zusammenhängend stellt sich Daschner über das geltende Recht und bricht die Bestimmungen der UN-Anti-Folter-Konvention. Auch wurde Gäfgen, obwohl er schon seine Entführung gestanden hat, nicht rechtsgültig verurteilt, weshalb er zu diesem Zeitpunkt noch als Tatverdächtiger gilt, der auch unschuldig sein könnte.

Das letzte und wichtigste Argument jedoch, abgesehen von den rechtlichen und gesetzlichen Aspekten, ist, dass ein Erlauben der Folter in vereinzelten Fällen zu immer mehr Foltervorgängen führen wird, denn sobald man die Schwelle einmal übertritt, wird es schwierig, die Bestimmungen wieder rückgängig zu machen. Dadurch wird die, aus meiner Sicht, inakzeptable und deanthropomorphisierende Methode der psychischen Folter nur weiter gestärkt und kann enormen Schaden anrichten. Insbesondere in diesem Fall ist die Rettung zu spät gekommen, weshalb diese Rechtswidrigkeit ihr Ziel nicht erfüllt hatte.

Das Dilemma ist sehr komplex, um es eindeutig bewerten zu können, und es ändert noch einmal den Sichtwinkel auf die neuen Verhörmethoden, die zunächst nur negativ erscheinen. Trotz dessen sollte meiner Meinung nach selbst die psychische, vermeintlich ,,saubere Folter“ nicht geduldet werden, denn diese birgt ein großes, gefährdendes Potenzial, dass unschuldige Menschen zu schuldigen werden lässt.

Daher bleibt zusammenfassend zu sagen, dass psychische Folter eindeutig genauso schlimm, wenn nicht sogar schlimmer als körperliche Folter eingestuft werden könnte, denn diese zerstört die Psyche eines Menschen und damit auch sein Leben vollständig. Auch eine eingeschränkte Erlaubnis von Folter ist unmöglich, denn diese endet in noch mehr Terrorismus und Gewalt, statt Terrorismus zu bekämpfen, denn man versucht mit Gewalt andere Gewalttaten zu unterdrücken. Deshalb ist Folter, egal um welche Folterart es sich handelt, immer ,,unsauber“.

Was denkt ihr zum Daschner-Dilemma und findet ihr den Ausdruck ,,Saubere Folter“ für psychische Folter angemessen? Schreibt es mir gerne in die Kommentare!

Quellen:

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Erweiterte_Verh%C3%B6rtechniken

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Waterboarding

https://www.weltderwunder.de/artikel/moderne-folter-wenn-koerper-und-geist-brechen

https://www.srf.ch/news/international/psychologen-haben-die-folter-ethisch-legitimiert

https://www.brgdomath.com/menschenrechte/menschenw%C3%BCrde-tk22/menschenw%C3%BCrde-oder-der-fall-daschner/

1 Kommentar

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Hallo Asparragus,
deine Frage, nach einer „Sauberen Folter“ hat mich neugierig gemacht, da sich die beiden Wörter „Sauber“ und „Folter“ widersprechen.
„Die Antifolterkonvention von 1984 definiert Folter als jede Handlung, «durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen zugefügt werden, zum Beispiel, um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen oder um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen, oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund.» https://www.amnesty.ch/de/themen/folter/zahlen-fakten-und-hintergruende/was-ist-folter#:~:text=Was ist Folter?
Sauber dagegen bedeutet nach dem Wörterbuch, frei von Verschmutzung, rein, gut und sorgfältig. Es kann also keine „Saubere Folter“ geben.
Die Folter gibt es wahrscheinlich schon seit es Menschen gibt. Die Hochburg der Folter war meines Wissens im Mittelalter. Ich war ein paar Mal in Rothenburg im Kriminalmuseum und habe die vielen verschiedenen Foltergeräte und die damit verbundenen Methoden angesehen. Ich bin der Meinung, dass eine körperliche Folter auch eine seelische Folter nach sich zieht. Bei uns in Deutschland ist das Verbot der Folter im Grundgesetzt festgelegt (Art.1 und Art.104).
Die Saubere Folter oder auch weiße Folter, ist in Wikipedia definiert: „Synonym wird der Euphemismus Saubere Folter verwendet. Weiße Folter arbeitet nicht mit physischer Gewaltanwendung (z. B. Schlägen, starke „Elektroschocks“ durch Elektroschocker bzw. andere Apparate, Verstümmelungen), die sichtbare Spuren hinterlässt, sondern mit Mitteln, die in erster Linie auf die Psyche des Opfers einwirken.“ wikipedia.org/wiki/Wei%C3%9Fe_Folter
Sowie die körperliche und auch die psychische Folter sind grausam und unmenschlich. Die Begriffe „Weiße Folter“ und „Saubere Folter“ sind also sehr irreführend und wurden eingesetzt, um diese Foltermethoden zu verharmlosen. Dass „Saubere Folter“ praktiziert wird, hast du anschaulich dargelegt. Auch dass es zwischen den Foltermethoden schwer zu unterscheiden ist, bzw., dass die Übergänge fließend sind. Durch deine Beispiele, kann man sich sehr gut vorstellen, welche Qualen eine solche Folter mit sich bringt, welche Schäden bleiben können und dass es auf keinem Fall ein „guter moralischer Umgang“ unter Menschen ist.
Weiter beschreibst du die „Rettungsfolter“ und setzt sie mit der „Weißen Folter“ gleich. Egal welches Wort man dafür verwendet, Folter bleibt Folter. Auch wenn man versucht, mit der Begrifflichkeit eine Folter zu rechtfertigen.
Durch das Daschner Dilemma zeigt du auf, wie komplex dieses Thema werden kann und ist. Hier zeigt sich, dass mehrere Menschen einer indirekten Folter ausgesetzt waren. Nämlich die Eltern die um ihr Kind bangten, der Polizist der unter Druck stand, das Kind rechtzeitig zu finden und bestimmt auch noch einige Menschen mehr. Das Argument, dass das Leben des Kindes Vorrang vor der Menschenwürde hat, finde ich gerechtfertigt. Schließlich misst der Täter die Menschwürde mit einem anderen Maßstab. Er hat nämlich die Menschenwürde des Kindes verletzt. Dagegen spricht wiederrum deine Argumentation, dass das einmalige Erlauben der Folter zu immer mehr Foltervorgängen führen kann. Ich bin deiner Meinung, dass vermeintliche „Saubere Foltermethoden“ ein gefährliches Potential in sich birgen.
Meiner Eingebung, die ich nach dem Lesen der Überschrift hatte, bleibe ich nach dem Lesen deiner ausführlichen Darlegung treu. Der Ausdruck „Saubere Folter“ ist irreführend und widerspricht sich. Psychische Folter sollte auch psychische Folter genannt werden.
Schwerer wäre mir die Antwort auf die Frage gefallen, ob das Androhen von Folter im Fall Daschner gerechtfertigt war. Darauf hätte ich dir keine eindeutige Antwort geben können.
Danke für deinen durchdachten Beitrag, iced out.

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