Würde für euch Satanismus als potenzielle Religion in Frage kommen?

Als Atheist habe ich mich mein Leben lang klar von jeglichen Religionen distanziert und sie sogar kritisiert. Eine Zeit lang habe ich noch an so etwas wie eine „Seele“ geglaubt, aber auch das ist mittlerweile vorbei. Trotzdem schaue ich immer mal wieder, ob ich eine Religion finde, die vielleicht mit meinen moralischen Werten übereinstimmt.

Als ich noch in katholischer Religion war, haben wir eine Reportage über „Satanisten“ geschaut, die komische Rituale durchgeführt haben und unsere Lehrerin hat uns eingetrichtert, wie gefährlich solche Leute doch sind, die es wagen den Teufel anzubeten und schlimme Dinge für ihn zu tun. Damals hatte ich ein sektenartiges Bild vom Satanismus, jedoch wurde ich stutzig, als ich in letzter Zeit öfters Diskussionsvideos gesehen habe, in denen sich Satanisten beteiligten. Dort wirkten sie komplett anders, als in den uralten Videos aus dem Reli-Unterricht. Deswegen habe ich ein wenig darüber nachrecherchiert, um zu sehen ob der gewaltbereite Ruf, der oft in den Medien über Satanisten verbreitet wird, überhaupt der Wahrheit entspricht, oder ob das vielleicht nicht doch Cherry-Picking von irgendwelchen Radikalen Gruppen ist.

In folgendem Essay werde ich mich mit den Grundsätzen des Satanischen Glaubens auseinandersetzten, um zu überprüfen, ob dieser provokante Glauben für mich als potenzielle Religion in Frage kommen könnte. Dabei beziehe ich mich auf den Satanismus von Anton Szandor LaVey, der 1966 die „Church of Satan“ gründete und 1968 die „Satanische Bibel“ schrieb, welche bis heute die Grundlage des modernen Satanismus darstellt.

Bereits in der Einführung der Satanischen Bibel distanziert man sich von jeglichen „Reportagen“ die Satanismus als eine Ideologie darstellen, welche kriminelle Handlungen jeglicher Art unterstützt. La Veys Satanismus habe nichts mit dem „Teenagersatanismus“ zu tun, welcher eher mit dem Satansbild des Christentums in Verbindung steht. Religionshistorisch betrachtet, lässt sich die Church of Satan in die „Human Potential“ -Bewegung einordnen. Sie ist von Grund auf Atheistisch geprägt und leugnet Götter, „Satan“ ist für Satanisten kein konkretes Wesen, sondern ein Symbol der Lebenskraft, welche Menschen in die Lage versetzt, ihr Potenzial voll auszuschöpfen.

Ergo ist die Aussage, Satanisten würden den Teufel anbeten falsch.

Weil man eben an keinen Gott/Teufel glaubt ist der Satanismus auch eine Mischung zwischen atheistischer Religion und Philosophie.

Aber um was geht es dann im Satanismus?

Dadurch, dass es in dieser Religion weder Leben nach dem Tod, noch Reinkarnation etc. gibt, liegt der Fokus des Satanismus auf einem erfüllten Leben. Dabei wird immer wieder das Christentum kritisiert, man könnte sogar sagen verspottet, weil der Satanismus sich als dessen Gegenbewegung versteht. Es werden immer wieder die Leute verurteilt, die blind ihrem Glauben folgen und bestärkt, alles kritisch zu hinterfragen.

Hier ein paar Zitate aus der Satanischen Bibel, die die Kerngedanken gut veranschaulichen:

„Ich verlange Begründungen für eure Goldenen Regel und frage nach dem Warum und Weshalb eurer Zehn Gebote“ – Buch Satan I 4.

„Liebe deine Feinde und tue denen Gutes, die dich hassen und ausnutzen – ist das nicht die verachtenswerte Philosophie eines Spaniels, der sich auf den Rücken rollt, wenn man ihn tritt?“ – Buch Satan III 6.

„Hasse deine Feinde von ganzem Herzen, und wenn jemand dir auf die Wange schlägt, schlage ihn auf die andere! Schlage ihn, wo immer du triffst, denn Selbsterhaltung ist das Oberste Gebot!“ Buch Satan III 7.

„Es gibt kein himmlisches Paradies und keine Hölle, in der Sünder geröstet werden. Hier und jetzt ist der Tag unserer Pein! Hier und jetzt ist der Tag unserer Freude! Hier und jetzt ist unsere Chance! Nutze diesen Tag, diese Stunde, denn es existiert kein Erlöser!“ – Buch Satan IV 2.

„Sage deinem Herzen „Ich bin mein eigener Erlöser““ – Buch Satan IV 3.

Des Weiteren spricht man sich ganz klar von Menschenopfern frei, denn diese werden nicht umgebracht wie fälschlich dargestellt, sondern lediglich symbolisch „zerstört“.

„Ein Satanist würde unter keinen Umständen ein Tier oder ein Baby opfern“, denn diese sind unbeeinflusst von der Gesellschaft die reinsten und „magischsten Wesen“ in den Augen des Satanismus und folglich sehr schützenswert.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Religionen geht der Satanismus sehr offen mit dem Thema Sex um, so akzeptiert er explizit jede Art sexueller Betätigung, sei sie heterosexuell, homosexuell oder asexuell und befürwortet auch Fetische, solange niemand beteiligt ist, der nicht mitmachen möchte.

Parallel hierzu wird ganz deutlich Vergewaltigung, Kindesmissbrauch oder Missbrauch von Tieren verurteilt.

Ein weiterer Aspekt, welche den Satanismus von anderen Religionen unterscheidet sind die Rituale. Stehen bei den meisten wahrscheinlich das Beten im Mittelpunkt, fällt dies bei Satanisten weg. Zu wem sollte man auch beten? Dafür gibt es verschiedenste Rituale, mit denen man „Geister“ und ähnliches vertreibt oder ruft, oder weitere spirituelle Tätigkeiten, um verschiedene Energienen zu bündeln oder zu verstärken. Viele Satansisten heutzutage ignorieren jedoch diesen spirituellen Aspekt und konzentrieren sich ausschließlich auf die philosophische Bedeutsamkeit ihrer Religion.

Zusammengefasst, geht es im Satanismus darum, sein Leben zu genießen und zu erkennen, dass man selbst verantwortlich dafür ist, was man aus ihm macht. Und obwohl der Satanismus oft ein wenig egoistisch, fast sogar narzisstisch wirkt, ist es wichtig, andere zu respektieren, sofern sie einen selbst respektieren, denn tun sie das nicht, soll man, beziehungsweise muss man sie aus vollen Herzen hassen.

Müsste ich mir eine Religion aussuchen würde ich den Satanismus wählen, da er im Gegensatz zu den meisten anderen Religionen einfach eine viel modernere, aktuellere Weltanschauung vorzeigt. Mit den Grundaussagen, die ich gerade erläutert habe stimme ich auch grundsätzlich überein, ein Aspekt dem ich nicht zustimme, ist der des Hassens. Es kommt mir so vor als würden Satanisten sehr schnell starke negative Gefühle befürworten, wo ich persönlich einfach der Meinung bin, dass man Personen, die einem geschadet haben ignorieren kann, anstatt ihnen etwas schlechtes zu wünschen.

Ich würde mich selbst also nicht Satanist nennen, weil ich auch mit den spirituellen Sachen: Rituale, Magier und ähnliches, die auch einen Teil des Satanismus bilden nichts anfangen kann. Aber man kann sich ja aus jeder Religion raussuchen, was genau man in ihr befolgen will, oder halt auch nicht.

Wie seht ihr das? Würde Satanismus für euch infrage kommen? Oder stimmt einzelnen Aspekten davon zu/ nicht zu?

Quellen:

  • Alle Zitate aus: LaVey, Anton Szandor: „Die satanische Bibel“ 7.Auflage von 1969
  • CherryPicking: https://lexikon.stangl.eu/28950/cherry-picking
  • Anton Szandor LaVey: https://de.wikipedia.org/wiki/Anton_Szandor_LaVey
  • Church of Satan: https://www.churchofsatan.com/
  • Human Potential-Bewegung: https://de.wikipedia.org/wiki/Human_Potential_Movement

4 Kommentare

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Hallo Moeglichkeit.
So, wie du ihn in deinem Essay schilderst, schein der Satanismus im großen und ganzen eine vertretbare Strömung zu sein und es ist wichtig, ihn einmal in einem ernsten, nicht vorverurteiltem Rahmen zu erörtern. Danke dir dafür.
Was mich an dem Glauben allerdings etwas besorgt ist, wie er mit seinen Gegnern umgeht. Die Bereitschaft, auf Gegner einzugehen, zuzuhören und eben nicht dem Hass zu verfallen ist die Kernqualität, die ich am Christentum der Bibel am meisten schätze.

Wenn es im Satanismus heißt, du sollst jemanden, der dich nicht respektiert, aus vollstem Herzen hassen und dass es naiv, sogar selbstzerstörerisch sei, auf Gewalt nicht mit Gegengewalt zu reagieren, halte ich das für gefährlich und falsch. Weil Menschen bei Respektlosigkeit mit Hass statt mit Dialog reagieren, werden Konflikte selten ausreichend gelöst. Hier werden meiner Meinung nach innere Abläufe, die bei Gewalt und Abneigung gegenüber bestimmten Dingen eine Rolle spielen, außen vor gelassen. Damit will ich nicht sagen, dass man kein Recht dazu habe, sich zu verteidigen! Nur finde ich, dass man in einem anleitenden Buch mehr auf Beweggründe eingehen und auf der negativen Seite etwas mehr Besonnenheit walten lassen sollte.

Auf der positiven Seite finde ich den Satanismus aber insofern gut, dass er, anstatt jahrtausendalte GESELLSCHAFTSnormen in GLAUBENSnormen umzuwandeln versucht (, das ist es jedenfalls, was viele Menschen an fundamentalistischen Teilen des Christentums abschreckt,) eine modernere, an die heutige Zeit angepasstere Lebensweise aufzeigt, die trotzdem wichtige moralische Grenzen vorgibt und seinen Anhängern damit eine Orientierung im Leben bietet, die ohne „Religionen“ in dem Sinne auskommt.
Liebe Grüße, flea 🙂

Hallo flea,
ich stimme dir vollkommen zu!
Dadurch, dass der Satanismus als Gegenbewegung zum Christentum entstand will er halt auch das komplette Gegenteil zu christlichen Werten darstellen, folglich auch die grundlegend andere Einstellung zur „Nächstenliebe“ aus dem Christentum.
Diese schon sehr provokativen oder fast radikalen Einstellung zum Tema „Hassen“ finde ich persönlich auch ein bisschen extrem und bilden einen weiteren Grund, wieso ich beim Atheismus bleibe.

hi Moeglichkeit,
auch ich habe mich eigentlich seit ich denken kann mit dem Begriff Atheistin definiert. Für mich waren jegliche Religionen eher unvorstellbar, weil etwas wie Götter für mich nur frei erfunden schien. Deshalb finde ich die Herangehensweise des Satanismus durchaus ansprechend. Wie du schilderst, existieren hier auch vor allem Grundsätze, die auf unsere heutige Welt angepasst sind, was natürlich auch mit dem Zeitraum der Gründung zusammenhängt. Außerdem finde ich auch, dass man selbst der Herr über sein eigenes Leben ist, was hier auch aufgegriffen wird. Deshalb würde diese Religion, wie bei dir, abgesehen von der spirituellen Seite am besten zu mir und meinen Werten passen. Doch insgesamt verspür ich nicht das Verlangen meine Werte und Moral irgendwie zu kategorisieren und ihnen sozusagen ein Label zu verpassen, da ich auch ein erfülltes Leben habe ohne nach einer Art Anleitung zu leben. Zusätzlich stimme ich nie zu 100% mit der Religion überein. Dennoch finde ich auch, die Satanisten haben einen viel zu schlechten Ruf, da viele Menschen(vor allem Christen)sich von Vorurteilen leiten lassen und nicht wirklich Nächstenliebe gegenüber Menschen mit weniger präsenten Religionen zeigen.
LG Tokio

Sehr interessanter und informativer Artikel! Die Bedeutung der Farben beim Hand Fasting-Ritual zu verstehen, bietet eine wundervolle Möglichkeit, die Zeremonie noch persönlicher und bedeutungsvoller zu gestalten. Es ist faszinierend zu sehen, wie alte Traditionen in moderne Feierlichkeiten integriert werden können, um die Verbindung zwischen den Partnern zu stärken. Vielen Dank für die detaillierte Erklärung und die Inspiration, die sie bietet!

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